Das Hamburger Abendblatt erklärt in einer zehnteiligen Serie die derzeit gefährlichsten Krisenherde der Welt. Heute im 1.Teil: Korea.
Hamburg. Es ist ein gefährliches Ritual, das sich seit Jahren wiederholt: Mit Atom- und Raketentests, oft im Kontext mit aggressiven Äußerungen, beunruhigt die Führung des kommunistischen Nordkorea die Staatengemeinschaft, vor allem aber seine asiatischen Nachbarn. Derzeit plant das Regime in Pjöngjang den Test einer mehrstufigen Trägerrakete zwischen dem 10. und dem 22. Dezember.
Das US-Außenministerium sprach von einem "hoch provokativen Akt"; die Regierungen in Moskau und Berlin wiesen darauf hin, dass die Uno-Resolution 1974 derartige Tests "unmissverständlich" verbiete. Selbst China äußerte sich kritisch. Japan stationiert bereits "Patriot"-Abfangraketen auf der Insel Okinawa. Die Temperatur steigt.
Mit den Raketentests will der noch nicht 30 Jahre alte Machthaber Kim Jong-un Stärke demonstrieren. Im April war ein Test der Unha-3-Raketen fehlgeschlagen - eine peinliche Niederlage für den jungen Herrscher. Kim Jong-un, Sohn des am 17. Dezember 2011 verstorbenen langjährigen Machthabers Kim Jong-il und Enkel des Staatsgründers Kim Il-sung verfolgt damit drei Ziele: Zum einen will er sich als starker und entschlossener Führer beweisen, indem er der gesamten Staatengemeinschaft trotzt. Zum Zweiten will er in Angstbeißermanier potenzielle Feinde abschrecken. Zum Dritten aber will das Regime bewusst Angst vor einem Atomkrieg schüren, um weitere Hilfsleistungen erpressen zu können. Kein anderer Staat der Welt ist derart isoliert und leistet sich einen so bizarren Personenkult wie Nordkorea.
Bis zur Annexion durch die Japaner im Jahre 1910 bildete Korea ein gemeinsames Reich auf der koreanischen Halbinsel, das vorübergehend von Mongolen und Chinesen beherrscht wurde. Durch die Kapitulation Japans am 15. August 1945 geriet das Gebiet nördlich des 38. Breitengrades unter sowjetische, das südlich davon unter amerikanische Kontrolle. 1948 riefen der von Moskau geförderte ehemalige Partisanenführer Kim Il-sung und der von den Amerikanern ins Amt gehievte Syngman Rhee jeweils eigene Staaten aus. Ab 1949 versuchte Kim, dem sowjetischen Diktator Josef Stalin die Erlaubnis für eine Invasion Südkoreas abzuringen. Stalin hatte, ebenso wie der chinesische Tyrann Mao Tsetung, Bedenken wegen der USA. Doch im Januar erweckte US-Außenminister Dean Acheson fälschlicherweise den Eindruck, als läge Korea außerhalb der US-Verteidigungsinteressen. Stalin gab Kim grünes Licht. Am 25. Juni 1950 begann mit dem nordkoreanischen Angriff der Koreakrieg. Zunächst eroberte Kim fast die ganze Halbinsel, wurde dann aber von Uno-Truppen unter US-Führung zurückgeschlagen. Nun schickte Mao mehr als 400 000 "freiwillige" Soldaten, die wiederum die Alliierten zurückdrängten. Am Ende des Krieges mit drei Millionen Toten und dem Abwurf von 450 000 Tonnen Bomben sowie 3,2 Millionen Liter Napalm - ein Vielfaches der später in Vietnam eingesetzten Menge - durch die US-Luftwaffe schlossen die Uno und Nordkorea am 27. Juli 1953 ein Waffenstillstandsabkommen.
Während Nordkorea sich in der Folge eine groteske Aufrüstung mit Atomwaffen sowie 1,2 Millionen Soldaten leistete und das eigene Volk hungern ließ, stieg Südkorea unter die zehn leistungsstärksten Industrienationen der Welt auf. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in Nordkorea rund 1100 Dollar, in Südkorea fast 32 000 Dollar. Nordkorea ist mit einem Soldaten pro 20 Einwohner das höchstmilitarisierte Land der Erde. Das Volk ist in drei Klassen - "loyale Genossen", "schwankende Personen" und "feindlich gesinnte Personen" - sowie mehr als 50 Untergruppen aufgeteilt. Die Klassenzugehörigkeit bestimmt Zugang zu Ausbildung, Beruf und Lebensmitteln. Versorgung und Infrastruktur sind aufgrund der "Juche"-Ideologie - einer Mischung aus Steinzeitkommunismus und Nationalismus - völlig unzureichend. Bei Hungersnöten in den 90er-Jahren starben bis zu drei Millionen Menschen. Offiziell wurde geraten, Blätter und Baumrinde zu essen.
Das Regime sichert seine Macht mit dem Militär, einem umfassenden Unterdrückungsapparat und einem System von Konzentrationslagern, in dem Hunderttausende Menschen einsitzen. Überlebende berichten von unvorstellbar grausamer Behandlung, Menschenversuchen, bestialischer Folter und Massenhinrichtungen.
Kim Jong-un wird ungeachtet seines gemütlich erscheinenden Äußeren als brutaler Machtmensch geschildert, der bereits mehrere führende Generäle habe hinrichten lassen, um seine Kontrolle über die Streitkräfte sicherzustellen. Pjöngjang, das 2006 und 2009 Atomtests vornahm, hat mit China ein militärisches Beistandsabkommen. Russland hat 1996 einen entsprechenden Passus gestrichen. Dafür arbeitet Nordkorea inzwischen in Rüstungs- und Atomfragen eng mit dem iranischen Regime in Teheran zusammen. Nordkorea hat auch Pakistan mit militärischer Atomtechnologie versorgt.
An der umstrittenen Seegrenze zwischen Nord- und Südkorea kommt es immer wieder zu militärischen Zwischenfällen. Im März 2010 wurde das südkoreanische Kriegsschiff "Cheonan" mit 46 Seeleuten durch einen nordkoreanischen Torpedo versenkt, im November 2010 war die südkoreanische Insel Yeonpyong Ziel von 100 nordkoreanischen Artilleriegranaten.
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