Das Sparprogramm treibt die Menschen zu Tausenden auf die Straße. „Wir können nicht mehr”, rufen Demonstranten in Athen und anderen Städten.
Athen. Die Summe ist enorm. 13,5 Milliarden sollen in den nächsten zwei Jahren in Griechenland gespart werden. Und es scheint, als seien immer dieselben betroffen: Die Renten werden zum vierten Mal innerhalb von drei Jahren gekürzt – diesmal zwischen 5 und 15 Prozent. Das Rentenalter wird von 65 auf 67 Jahre angehoben. Abfindungen für Entlassungen werden drastisch gekürzt. Wer ins Krankenhaus kommt, musste vor zwei Jahren fünf Euro, vor einem Jahr zehn Euro für den Aufenthalt in der Klinik aus der eigenen Tasche berappen. Das Sparprogramm sieht nun 25 Euro vor.
Die Durchschnittsrente liegt derzeit bei 617, der Durchschnittslohn bei 950 Euro. Die Arbeitgeber können Verträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer getrennt und unabhängig von Tarifverträgen schließen. „Es sind dramatische Änderungen. Wir kehren zu Zeiten zurück, wo es kaum Arbeitnehmerrechte gab“, kommentiert Savvas Robolis, Chef des Instituts für Arbeit des einflussreichen Gewerkschaftsverbandes des privaten Sektors (GSEE).
Die Gewerkschaften legen aus Protest das Land lahm. Am Dienstag begann ein 48-stündiger Streik in Ämtern und Behörden, Verkehrseinrichtungen, Schulen und Universitäten. Die für die Stromwirtschaft zuständige Gewerkschaft droht das Land zu „verdunkeln“. Mehrere Elektrizitätswerke wurden lahmgelegt. Stromausfälle gab es zunächst jedoch nicht.
Tausende Menschen gingen auf die Straßen. „Es reicht! Wir können nicht mehr“, skandierten Demonstranten in Athen und anderen Städten. Der Chef der stärksten Oppositionspartei Syriza, Alexis Tsipras, beteiligte sich an den Protesten und forderte Neuwahlen.
Für diesen Mittwoch mobilisieren die Gewerkschaften alles, was sie haben. Am Abend wollen sie das Parlament umzingeln. Dann sollen dort die Angeordneten über das „Monster-Sparpaket“ – wie Kommentatoren es nennen – abstimmen.
Die Regierung steht vor einem neuen Kraftakt. Die Koalition aus Konservativen, Sozialisten und der Demokratischen Linken bröckelt. In Regierungskreisen geht man davon aus, dass nur 154 bis 155 von 300 Parlamentsabgeordneten am Mittwoch dem Sparprogramm zustimmen werden.
Das wäre zwar genug für die Billigung des Sparprogramms. Gleichzeitig wäre ein solches Abstimmungsergebnis aber für die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras ein herbe Niederlage. Die Regierungskoalition hat 176 Parlamentarier. Die Demokratische Linke (16 Sitze) will sich wegen der tiefen Einschnitte im Bereich Arbeitsmarkt der Stimme enthalten. Abweichler soll es auch unter den sozialistischen Abgeordneten geben.
Die Billigung des Sparprogramms ist Voraussetzung für weitere Hilfen für Griechenland. Finanzminister Ioannis Stournaras ahnt schon, dass ein „unvorhersehbares Ereignis“ alles zunichtemachen könnte, was in den letzten Monaten mühsam geschaffen wurde. Er rät seit Tagen allen Regierungsabgeordneten, für das Sparprogramm zu stimmen.
Analysten machen darauf aufmerksam, dass die Gesellschaft diese Maßnahmen kaum noch tragen könne. Schon jetzt gibt es zahlreiche Griechen, die verzweifeln und einen Austritt aus der Eurozone als Lösung sehen. Andere verweisen auf die hohe Arbeitslosenquote von 25 Prozent, bei jungen Menschen sogar von 55 Prozent. Die Arbeitslosigkeit werde nach diesen Maßnahmen weiter steigen, sagen sie vorher, in Griechenland drohe eine soziale Explosion.
„Die Stunde der Wahrheit schlägt für die Koalitionsregierung“, titelt die Athener Wochenzeitung „To Vima“ auf ihrer Webseite. Zeitungen erschienen am Dienstag wegen eines Streiks der Journalisten am Vortag nicht.