Kaum ein Tag ohne Hiobsbotschaften aus Griechenland. Die Finanzkrise ist auch für die psychische Gesundheit der Menschen fatal.

Gladenbach. Die Finanzkrise in Griechenland ist nicht nur wirtschaftlich ein Desaster, sondern greift die Psyche vieler Menschen massiv an. Davon ist der deutsche Psychotherapeut Georg Pieper (59) überzeugt, der in seinem Buch „Überleben oder Scheitern“ Strategien zur Krisenbewältigung aufzeigt. Der Fachmann für die Therapie von Trauma- und Stresssituationen bildet seit vielen Jahren im Namen des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP) Kollegen im In- und Ausland weiter. Sein jüngster Besuch in Athen hat ihn erschüttert, sagte er im Gespräch.

Wie stellt sich die Situation dar?

Pieper: „Es herrscht sehr viel Verzweiflung in Griechenland – auch bei den Kollegen. Seit diesem Sommer hat sich ihre wirtschaftliche Situation nochmals rapide verschlechtert. Hinzu kommt, dass eine psychotherapeutische Behandlung privat bezahlt werden muss. Das kann sich jedoch kaum noch einer leisten, bei einer Arbeitslosenquote von etwa 25 Prozent und bei um 50 Prozent geschrumpften Einkommen. Dadurch bleiben viele gravierende Fälle unbehandelt, psychische Erkrankungen verschlimmern sich und werden chronisch – was dann immense Konflikte in den Familien gibt. Es kommt zu einer hochexplosiven Mischung von tiefer Verzweiflung und Wut.“

Wer ist besonders betroffen?

Pieper: „Die Arbeitslosigkeit trifft auf der psychischen Seite vor allem die Männer. In Griechenland definieren sie sich noch viel mehr als in Deutschland über ihre Rolle, die sie im Berufsleben einnehmen. Das ist ihre zentrale, wichtige Rolle. Frauen sind da flexibler, weil sie meist mehrere Rollen ausfüllen. Sie können die Krise eher kompensieren. Meine Kollegen berichten, dass es zunehmend viele Männer mit schweren Depressionen und Angststörungen gibt. Auch die Anzahl der Suizide ist stark gestiegen. Es passt ja auch nicht zum Macho-Bild, sich Hilfe beim Psychotherapeuten zu suchen.“

Sie haben ein Buch über die Bewältigung von Krisen geschrieben. Was raten sie den Betroffenen?

Pieper: „Das Wichtigste ist in einer Krise, die Situation anzunehmen. Wir sprechen von „radikaler Akzeptanz“. Ich muss mit dem Neuen, was sich ergeben hat, arbeiten. Nur so kann ich neue, eigene Gestaltungsmöglichkeiten erkennen. Auch wenn diese oft nur minimal sind, durchbrechen sie das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Menschen, die eine psychische Krise lange leugnen, haben schlechte Chancen, diese zu bewältigen.“