Die Lage in Syrien ist katastrophal. Mehr als 2,5 Millionen Menschen brauchen im Land dringend Hilfe. Und eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
Paphos. Europa drängt die zersplitterte syrische Opposition zu konkreten Alternativen zum Assad-Regime und kritisiert die Untätigkeit des Weltsicherheitsrates. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte Russland und China am Freitag auf, ihre Blockadehaltung im mächtigsten Uno-Gremium aufzugeben. Zugleich brachten Frankreich und Italien eine kurzfristig anberaumte EU-Sondersitzung zu Syrien ins Spiel. Hintergrund sind die weiter anschwellenden Flüchtlingsströme. Neben den 230.000 Syrern, die bereits im Ausland Schutz gefunden haben, kommen etwa 1,2 Millionen Binnenflüchtlinge hinzu.
Die Lage in Syrien ist das Spitzenthema auf dem zweitägigen Treffen der EU-Außenminister im zyprischen Paphos. Zum Beginn der Sitzung wurde deutlich, dass die EU zwar mehr für die Flüchtlinge tun will, aber noch uneins ist über die Form der Unterstützung für die Rebellen. Die von Frankreich ins Gespräch gebrachten Waffenlieferungen lehnte Westerwelle ab. Es gehe weiter um eine „politische Lösung“.
Der britische Außenminister William Hague betonte, dass Waffenlieferung unter dem jetzigen Embargo illegal seien und sich die Unterstützung auf zivile Mittel und Schutzausrüstung beschränken solle. Auch der belgische Außenminister Didier Reynders zeigte sich skeptisch: „Es gibt schon etliche Waffen in der Region, man muss also zunächst mal festlegen, wen man damit beliefern will.“ Allerdings seien Waffenlieferungen dann denkbar, wenn sich eine einheitliche Opposition geformt habe.
Große Einigkeit zeigten die Außenminister darin, mehr für die syrischen Flüchtlinge vor Ort tun zu wollen. Ihre eigenen Grenzen wollen sie aber nur im Notfall öffnen. „Man sollte nicht die Illusion haben, dass man jetzt Zehntausende Flüchtlinge irgendwie nach Europa transportieren und damit das Problem lösen könnte“, fasste der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die Positionen zusammen. Auch Westerwelle sprach sich dafür aus, die Probleme zunächst in der Region zu lösen, das sei auch im Interesse der Betroffenen. Auch Reynders bezeichnete direkte Hilfen für Syriens Nachbarländer Jordanien, Libanon und Türkei als „erste Wahl“.
Der SPD-Außenexperte Gernot Erler forderte die EU-Außenminister auf, endlich konkrete Vereinbarungen zu treffen. In Syrien bahne sich eine „humanitäre Katastrophe“ an, sagte er der Nachrichtenagentur dapd. Forderungen zum militärischen Schutz von Flüchtlingen in Syrien durch sogenannte Sicherheitszonen lehnte er indes ab. Dem müsse Damaskus zustimmen. „Syrien droht hier mit Krieg“, sagte er.
Einmütig riefen die Minister die syrischen Rebellengruppen auf, sich zu vereinen. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton forderte mit Blick auf die Zeit nach Assad: „Sie müssen zusammen einen Weg finden, alle Menschen in Syrien zu repräsentieren.“ Der niederländische Außenminister Uriel Rosenthal ergänzte, das Assad-Regime zeige „zunehmend Risse“. Die Frage sei nicht, „ob Assad fällt, sondern wann“. Für diesen Zeitpunkt wollen die EU-Staaten Vorkehrungen treffen, damit eine Übergangsregierung in den Startlöchern steht.
Westerwelle zeigte Verständnis für die Forderung, Assad vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. „Es wäre nur gerecht, wenn Baschar Assad sich eines Tages auch vor der internationalen Gerichtsbarkeit verantworten müsste“, sagte er. „Aber wenn durch eine Exillösung das Blutvergießen jetzt schnell beendet werden kann, ein friedlicher Neuanfang in Syrien möglich wird, dann wäre das auch ein gangbarer und akzeptabler Weg.“ Damit spielte er auf ein Angebot der Arabischen Liga an, die Assad kürzlich einen „sicheren Hafen“ für den Fall angeboten hatte, dass er zurücktritt.
Bei dem zweitägigen Treffen in Paphos stehen vor allem internationale Konfliktherde im Fokus der EU-Außenminister, darunter auch der Iran. Im Streit über dessen Atomprogramm warnte Westerwelle, die EU werde kein von Teheran betriebenes „Spiel auf Zeit“ dulden. Er könne „nur mit großem Nachdruck und mit großer Dringlichkeit die iranische Seite auffordern, sich des Ernstes der Lage bewusst zu sein“, betonte er. In den vergangenen Wochen hatte Israel mehrfach deutlich gemacht, notfalls auch militärisch gegen eine atomare Aufrüstung seines Nachbarlandes vorzugehen.
Ferner befassten sich die Minister mit den weltweit schrumpfenden Wasserreserven sowie friedensstiftenden Bildungsprojekte in Krisenländern. Westerwelle erinnerte daran, dass der Kampf um Wasser zunehmend ein Grund für regionale Konflikte sei. Daher sollte im Sinne einer vorausschauenden Sicherheitspolitik ein Konzept für die Wassernutzung in den jeweiligen Regionen erstellt werden.
Das informelle Treffen dauert bis Sonnabend. Politische Entscheidungen sind allerdings nicht zu erwarten.