Die Akademie der Künste kritisiert den „politischen Skandal“. Die russische Band Barto erwartet eine neue Welle von Protestkonzerten.
Berlin. Die zweijährige Haftstrafe für die drei Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot hat bei Künstlern und Bands Entsetzen ausgelöst. Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, kritisierte das Urteil als „politischen Skandal“. Die russische Band Barto sagte im dapd-Interview, das Urteil werde die russische Gesellschaft weiter spalten und zu noch mehr Protesten führen. Punkrockbands wie Anti-Flag und Radio Havanna kündigten an, ihr Engagement für Pussy Riot auch künftig unvermindert fortzusetzen.
Die drei jungen Frauen waren am Freitag nach ihrem Punk-Gebet wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Sie hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche in einer spektakulären Aktion die Gottesmutter angerufen, Präsident Wladimir Putin zu verjagen.
Staeck sagte: „Auch noch so provokante künstlerisch-politische Aktionen rechtfertigen keine derart drakonischen Strafen.“ Auf Dauer werde sich Russland zu einem zivilisierten Rechtssystem bekennen müssen, frei von jeder politischen Einflussnahme auf juristische Entscheidungen. Bis das der Fall sei, fordere die Akademie der Künste Freiheit für alle verfolgten russischen Künstler, die ihr Recht auf Kunst- und Meinungsfreiheit wahrnehmen. „Kein Schauprozess und kein noch so hartes Urteil wird den Geist der Freiheit unterdrücken können.“
Rockmusiker Udo Lindenberg bezeichnete die Verurteilung der russischen Musikerinnen von Pussy Riot als „idiotischen Urteilsspruch“. Die Entscheidung werde eine Welle des Protestes nach sich ziehen, sagte Lindenberg. Russlands Präsident Wladimir Putin sei „inzwischen voll daneben“ und „längst nicht mehr der lupenreine Demokrat“, als den ihn der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seinerzeit angepriesen habe.
Die russische Band Barto reagierte mit großer Bestürzung auf die zweijährige Haftstrafe. „Das Urteil ist schrecklich und wir brauchen einige Zeit, um es zu verstehen, heute hat sich unser Land verändert“, sagte die Sängerin des Duos aus St. Petersburg, Maria Lubicheva. Das Urteil werde die russische Gesellschaft weiter spalten. „Eine neue Welle von Protestkonzerten ist zu erwarten.“
Leider hätten die internationalen Solidaritätsaktionen für Pussy Riot nichts genützt. Die ganze Welt habe nun gesehen, dass die Meinungsfreiheit in Russland „gleich null“ sei. Der russischen Regierung sei es egal, welches Bild das Land im Ausland mit Blick auf die Menschenrechte abgebe. „Wir hoffen, dass das furchtbare Urteil die Menschen im Kampf für die Menschenrechte vereinen wird.“
Auch die deutsche Punkrockband Radio Havanna kritisierte das Urteil scharf. „Das Pussy-Riot-Verfahren geht an einer normalen Rechtstaatlichkeit vorbei“, sagte Gitarrist und Sänger Oliver Arnold im dapd-Interview. „Wir finden es unverhältnismäßig, für so eine Aktion eine so hohe Strafe zu verhängen. Wir sehen dieses Urteil als ganz klares Machtinstrument von Putin, um jegliche Regime-Kritik zu unterdrücken.“ Arnold kündigte an, Radio Havanna werde weiter „Pussy Riot und ihre Angehörigen so gut es geht unterstützen“.
Die Band werde „die Zeit bis zur Freilassung dazu nutzen, Kontakt mit dem Kollektiv zu halten, um sie danach weiter dabei zu unterstützen, ihre Botschaft zu verbreiten. Redner kann man einsperren, Gedanken nicht“, betonte Arnold.
Die US-Politpunkband Anti-Flag kündigte ebenfalls weiteres Engagement für die Musikerinnen an. „Wir werden ihre Geschichte so lange weiter erzählen, bis Pussy Riot frei sind“, sagte Sänger Justin Sane der Nachrichtenagentur dapd. „Es ist unsere Pflicht, ihre Ansichten und Ziele und auch ihr Wohlergehen in der öffentlichen Debatte wach zu halten.“ Die Geschichte von Pussy Riot sei nur dann auch ein „Sieg“, wenn sie weiter erzählt werde.Die Punkrockerinnen hätten dem Kampf für die Menschenrechte in Russland ein Gesicht und eine Stimme verliehen.
Anti-Flag und Radio Havanna hatten in den vergangenen Wochen in Zusammenarbeit mit Amnesty International ausverkaufte Benefizkonzerte für Pussy Riot gespielt. Das Geld ging an den „Pussy Riot Defense Fonds“ und sollte für Anwaltskosten im Prozess oder Protestaktionen zur Verfügung stehen.