Ecuador gewährt Wikileaks-Gründer Julian Assange politisches Asyl. Doch damit bringt der 41-Jährige Großbritannien in ein diplomatisches Dilemma.
London. Ecuador gewährt Julian Assange Asyl – doch der Kampf um seine Ausreise aus Großbritannien nach Südamerika ist für den Wikileaks-Gründer noch längst nicht gewonnen. Obwohl er selbst die Entscheidung in Quito als "signifikanten Sieg“ würdigte, sitzt der 41-Jährige zunächst einmal weiter in der Botschaft Ecuadors in London fest, wo er bereits seit acht Wochen ausharrt. Assange solle vor Verfolgungsrisiken vor allem in den USA geschützt werden, sagte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño in der Hauptstadt Quito.
Großbritannien werde Assange aber kein freies Geleit gewähren, sagte Außenminister William Hague in London. Das Land sei verpflichtet, den in Schweden wegen Sexualdelikten mit EU-weitem Haftbefehl gesuchten Assange nach Skandinavien auszuliefern. Über die Asyl-Entscheidung in Quito sei man "enttäuscht“. Die schwedische Staatsanwaltschaft äußerte sich nicht zu der Entscheidung. Ein Sprecher des schwedischen Außenministeriums warf Ecuador offen vor, die Strafverfolgung zu behindern.
Die Briten drohten am Donnerstagmorgen sogar, sie könnten auf der Grundlage eines Gesetzes von 1987 auch in die Botschaft Ecuadors eindringen und Assange dort festnehmen. Am Nachmittag ruderte das Außenministerium dann aber zurück. Man hoffe auf eine Verhandlungslösung, um seinen Verpflichtungen aus dem Auslieferungsgesetz nachzukommen. Außenminister Hague selbst räumte ein, die Verhandlungen um Assange könnten sich "noch eine beachtliche Zeit“ hinziehen. Es gebe keine Absicht, die Botschaft zu stürmen.
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Assange, gegen den in Schweden bislang keine Anklage vorliegt, hat in Großbritannien alle gerichtlichen Instanzen ausgeschöpft, um eine Auslieferung zu verhindern. Er bestreitet die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Vergewaltigung und vermutet ein Komplott. Der Australier fürchtet, von Schweden in die USA abgeschoben zu werden, wo ihm lebenslange Haft wegen Geheimnisverrats drohen könnte. Hague hingegen sagte, es gehe nicht um Wikileaks, sondern um ernsthafte strafrechtliche Vorwürfe.
Die von Assange maßgeblich betriebene Plattform Wikileaks hatte unzählige vertrauliche diplomatische Depeschen aus den USA veröffentlicht, die Einblicke in die US-Außenpolitik und in den Umgang mit den Kriegen im Irak und in Afghanistan gewähren. Die Quelle der Informationen, der US-Soldat Bradley Mannings, sitzt in den USA nach Angaben von Assange seit 800 Tagen in Militärhaft.
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Vor der Botschaft im Zentrum von London kam es am Donnerstag zu Rangeleien zwischen Unterstützern des australischen Internet-Rebellen und der Polizei. Mehrere Demonstranten wurde von unbewaffneten Polizisten abgeführt. Netzaktivisten der Anonymous-Bewegung riefen ihre Anhänger via Twitter auf, sich vor der Botschaft Ecuadors in London zu versammeln.
Assange soll im August 2010 mit zwei Frauen in Schweden Geschlechtsverkehr gehabt haben und dabei gegen deren Willen kein Kondom benutzt haben. Die schwedische Staatsanwaltschaft geht in einem der Fälle von Vergewaltigung aus. Eine Anklage dazu gibt es jedoch nicht. Die schwedischen Behörden haben auch mehrere Angebote abgelehnt, Assange in London zu den Vorwürfen zu vernehmen.
"Wir haben mehrfach unsere Position in den Diskussionen mit der ecuadorianischen Regierung deutlich gemacht“, sagte ein Sprecher des britischen Außenministeriums am Donnerstag in London. Großbritannien habe eine rechtliche Verpflichtung, Assange an Schweden auszuliefern.
"Wir sind weiterhin entschlossen, diese Verpflichtung zu erfüllen“, heißt es in der Mitteilung des Ministerium weiter. Allerdings sei Großbritannien auch an einer einvernehmlichen Lösung interessiert.
Assange hatte in Großbritannien in einem anderthalbjährigen Prozessmarathon versucht, die Auslieferung gerichtlich zu verhindern. Nach erfolglosem Ausschöpfen des gesamten Instanzenweges hatte er sich in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet.
Ecuadors Außenminister Patiño verurteilte die Drohung Großbritanniens, die britischen Behörden könnten in die Botschaft des Landes eindringen, um Assange dort festzunehmen. Ecuador habe den südamerikanischen Staatenbund Unasur und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gebeten, die Außenminister ihrer Länder einzuberufen, um eine gemeinsame Stellungnahme zur britischen Haltung zu vereinbaren.
Der schwedische Anwalt von Assange sagte, er erwarte, dass sein Mandant nun in Ecuadors Botschaft in London von den schwedischen Ermittlern vernommen werde "Der schwedische Staatsanwalt wird wahrscheinlich das für ihn nächstbeste Szenario akzeptieren müssen“, sagte er. Assange habe keine Angst vor der Strafverfolgung in Schweden, lediglich vor einer Abschiebung in die USA. Patiño hatte darauf hingewiesen, dass Ecuador von Schweden eine Versicherung erbeten habe, dass Assange nicht in die USA weitergereicht werden wird. Diese habe Schweden nicht abgegeben. (dpa)