Die Abrüstungsgespräche sind der ernste Anlass des Besuchs. Aber Obama setzt auch auf die “weichen Faktoren“, um Russlands Vertrauen zu gewinnen.
Moskau/Hamburg. Zwei Tage russischer Sommer, zwei Tage hitzige Diskussionen um Raketen, um Iran, den Nahen Osten, die Finanzkrise und vielleicht auch um die Opposition in Russland. Barack Obama wird mit gemischten Gefühlen auf dem Moskauer Wnukowo-Flughafen gelandet sein. Sein erster Besuch als US-Präsident soll dem ehemaligen Gegner im Kalten Krieg seinen Willen zur Abrüstung und zum Entgegenkommen signalisieren. Vielleicht hat Obama deshalb seine Familie mitgebracht. Beim Abendessen sollten sich außer den Präsidenten Obama und Dmitri Medwedew in der Residenz des russischen Präsidenten in Gorki auch die Ehefrauen Swetlana Medwedewa und Michelle Obama näher kennen lernen.
Im Mittelpunkt aber stehen Abrüstungsfragen. Kurz vor Obamas Ankunft hätten sich Diplomaten beider Länder auf eine gemeinsame Absichtserklärung für die Verhandlungen über den Abbau strategischer Atomwaffen geeinigt, teilte das russische Außenministerium mit. Uneins sind sich Moskau und Washington bei den US-Plänen für eine Raketenabwehr in Mitteleuropa, bei der territorialen Einheit Georgiens und der möglichen Nato-Erweiterung. Obama fliegt am Mittwoch früh von Moskau weiter zum G8-Gipfeltreffen nach Italien.
Experten sehen bei den Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen des im Dezember auslaufenden Start-Vertrags über strategische Atomwaffen noch viele Hindernisse. So macht der Kreml den Verzicht der USA auf die geplante Raketenabwehr zur Vorbedingung. Beide Seiten hätten sich in diesem Punkt nicht einigen können, berichtete die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ unter Berufung auf den Kreml. Auch die Berechnungsgrundlagen für Sprengköpfe und Raketen sowie die Überprüfbarkeit von Abrüstungsschritten blieben zuletzt strittig.
Obama soll am Montag nach russischen Angaben neben dem Abrüstungs-Dokument auch eine Vereinbarung zu Afghanistan unterzeichnen. Demnach erlaubt Moskau der US-Armee Militärtransporte über russisches Territorium zur Versorgung der Truppen am Hindukusch.
In einem Interview kritisierte Obama unterdessen den derzeit laufenden zweiten Prozess gegen den früheren Ölmilliardär Michail Chodorkowski. Die neue Anklage gegen den Ex-Oligarchen und Kremlkritiker sehe aus wie die umformulierte alte Anschuldigung, sagte Obama der Zeitung „Nowaja Gaseta“. Für diese Zeitung hatte auch die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja gearbeitet.