Drei jungen Musikerinnen der Punk-Band Pussy Riot sollen bis 2013 in Untersuchungshaft bleiben. Sie protestierten gegen Putin und den Kreml.
Moskau. Der schrille Punk-Protest in der Moskauer Erlöserkathedrale trifft die russische Führung ins Herz. Und sie schlägt brutal zurück. Fast ein Jahr lang sollen drei junge Frauen wegen der kremlkritischen Performance in Untersuchungshaft schmoren - mindestens. Bereits seit Monaten sitzen die Mitglieder der Band Pussy Riot hinter Gittern. Am Freitag verlängert ein Gericht die Frist bis Januar 2013. Im Prozess drohen dann sieben Jahre Haft.
Das Vergehen klingt banal: Am 21. Februar stürmen die Frauen mit Strumpfmasken verkleidet den Altar des Heiligtums der russisch-orthodoxen Kirche. „Heilige Mutter Gottes, erlöse Russland von Putin“, rufen sie. Es ist ein Protest gegen die Dauerherrschaft von Wladimir Putin, der sich bald darauf erneut zum Präsidenten wählen lässt, sowie gegen die Verzahnung von Kirche und Staat. Doch aus der Spaßaktion wird bald heiliger Ernst. Denn das „Punk-Gebet“ erfüllt angeblich den Straftatbestand des Rowdytums.
Nadeschda Tolokonnikowa (22), Maria Aljochina (24) – beide haben kleine Kinder – und Jekaterina Samuzewitsch (29) sind als politische Gefangene von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International anerkannt. Und sie stehen als Symbole dafür, dass immer mehr Russen die Bevormundung und Einschränkung von Grundrechten satthaben.
Kremltreue Abgeordnete wollen die Aktivistinnen nun auch wegen früherer Guerilla-Protestaktionen etwa auf dem Roten Platz verfolgen lassen. Als „Sündenböcke“ sieht Samuzewitsch sich und ihre Mitstreiterinnen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck nennt Pussy Riot „persönliche Gefangene“ Putins. Regierungskritiker sprechen entsetzt von einer Hexenjagd wie im Mittelalter.
Russland erlebe einen politischen Schauprozess wie es ihn seit dem Fall von Michail Chodorkowski nicht gegeben habe. Der inhaftierte Ex-Ölmanager gilt als schärfster Gegner Putins. Kritiker weisen darauf hin, dass die Pussy-Riot-Anhörung im selben Saal des Chamowniki-Gerichts stattfindet wie weiland bei Chodorkowski.
„Dieses Verfahren ist politisch. Es wird direkt von Putin oder seiner Umgebung gesteuert“, sagt Verteidiger Nikolai Polosow der Nachrichtenagentur dpa. Er ist überzeugt, dass die wegen Rowdytums angeklagten Frauen zu Straflager verurteilt werden. Der Vorwurf: „Hooliganismus aus Gründen des religiösen Hasses“. Die Anklage kommt zu dem Schluss, dass Pussy Riot mit der Gotteslästerung an den „ewigen Grundfesten der russisch-orthodoxen Kirche“ gerüttelt habe.
„Um die orthodoxen Christen noch tiefer in ihrem geistlichen Glauben zu verletzen (...), zogen sich die Teilnehmerinnen die Oberbekleidung aus und boten einen für einen solchen Ort unwürdigen Anblick“, steht in der Anklage. Dass die Frauen wild im Altarraum vor heiligen Ikonen tanzen, habe viele Gläubige traumatisiert.
Die Anwälte widersprechen: Für einen Strafprozess gebe es keine Grundlage. „Die Mädchen hatten keine Waffen und haben nichts zerstört, so wie es für eine Anklage wegen Rowdytums eigentlich nötig wäre“, kritisiert Verteidiger Polosow. Höchstens eine Ordnungsstrafe käme infrage. Doch der Anwalt sieht schwarz: „Das Urteil wird wohl in letzter Minute direkt an höchster Stelle im Kreml gesprochen.“
Ein Mitschnitt der Kirchenaktion gilt als eines der wichtigsten Beweismittel. Das im Internet veröffentlichte Video aber sei keine Originalaufnahme, sondern eine künstlerische Montage, betont Polosow. „Aber die Ermittler kümmern sich nicht darum, von wem das Video produziert und von wem es ins Internet gestellt wurde.“ Der Jurist betont, die Aktion sei eine politische Kritik gegen Putin gewesen.
Zu dieser Kritik stehen die Angeklagten weiterhin. Das Angebot der Kirche, sich schuldig zu bekennen und um Vergebung zu bitten, lehnen sie ab. Putin selbst verkündete nach seinem Wahlsieg am 7. März, er bitte die Gläubigen um Entschuldigung, weil die Frauen dazu nicht in der Lage seien. „Ich hoffe, dass sich so etwas nicht wiederholt“, sagte er. Die Kirchenführung forderte eine harte Strafe.