"Es ist nur eine Tochter", heißt es, als Fausia Kufi 1975 im Nordosten Afghanistans geboren wird, und so heißt auch der Titel ihrer Biografie, die jetzt auf Deutsch erschienen ist. Fausia ist das 19. von 23 Kindern, die ihr Vater mit sieben Frauen gezeugt hat. Das ungewollte Baby wird unter der sengenden Sonne in einer Bergregion ausgesetzt. Doch Fausia überlebt. Auch durch Repressalien lässt sie sich nicht in ihrem Traum von Freiheit beirren. Als einziges Mädchen ihrer Familie besucht sie Schule und Universität. Die Mutter zweier Töchter wird 2005 ins Parlament gewählt und setzt sich unermüdlich für die Rechte von Kindern und Frauen ein. Bei den Wahlen 2014 will Fausia Kufi sich als Kandidatin für das Präsidentenamt aufstellen lassen.
Hamburger Abendblatt:
In Ihrem Buch liest man von so vielen Beschränkungen in Afghanistan, dass Veränderungen schwer möglich scheinen. Wie wollen Sie das schaffen?
Fausia Kufi:
Die Gesellschaft ist in zwei Teile gespalten, in die Fortschrittlichen und die Traditionalisten. Viele Politiker wollen keine Veränderungen, weil sie glauben, dann Macht zu verlieren. Sie wollen Stillstand. Aber in den vergangenen zehn Jahren haben viele Menschen gelernt, wie wichtig das Recht auf freie Meinungsäußerung ist, Pressefreiheit oder Frauenförderung. Ich glaube, der Fortschritt ist schon so weit gediehen, dass man ihn kaum noch aufhalten kann.
Wie ist es Ihnen gelungen, als eine der ersten Frauen in die Politik zu gehen?
Kufi:
In einer konservativen, traditionellen Familie muss man sehr, sehr viel Geduld aufbringen, wenn man seine Brüder von etwas überzeugen will, das sie nicht kennen. Bei uns kommen im Wahlkampf die Poster mit den Kandidatenfotos auf Autos. Meine Brüder wollten anfangs nicht, dass Fotos von mir durch die Stadt gefahren werden. Als ich dann gewählt wurde, war meine Familie glücklich. Aber man hat mir anfangs einfach nichts zugetraut.
Viele afghanische Männer halten Frauen offenbar für eine rechtlose Spezies.
Kufi:
Selbst im Parlament ist es schwierig für Frauen. Wir müssen den Männern permanent das Leben schwer machen. Mit ihnen in einen Wettstreit zu treten ist eine Herausforderung. Bei den vorletzten Wahlen haben mich die Ehemänner noch nicht gewählt, aber die Frauen. Weil ich für soziale Projekte kämpfe, weil ich Straßen, Brunnen, Schulen und Kliniken habe bauen lassen. Bei der Wahl 2010 haben mich plötzlich alle unterstützt.
Hält man das alte System für korrupt?
Kufi:
Natürlich. Die Bevölkerung sucht nach etwas Neuem. Darauf hoffe ich.
Fausia Kufi: Nur eine Tochter. Kailash Verlag, 352 S., 19,99 Euro