Palästina ist zwar noch kein anerkannter eigener Staat, ab sofort aber vollwertiges Mitglied der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur. USA hatten Unesco vor der Aufnahme Palästinas gewarnt und stellen nun die Beitragszahlungen ein.
Paris/Berlin/Ramallah/Tel Aviv. Palästina ist trotz scharfer Kritik aus den USA als Vollmitglied der Unesco aufgenommen worden. 107 Mitgliedsstaaten votierten am Montag in der Generalkonferenz der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Paris dafür, unter anderen Frankreich. 14 Länder stimmten dagegen, darunter auch Deutschland, die Niederlande, Schweden, die USA und Israel. 52 enthielten sich. Das Abstimmungsergebnis wurde mit Jubel aufgenommen. "Lang lebe Palästina!“, rief ein Delegierter während der ungewöhnlich angespannt verlaufenden Sitzung. Die USA kündigten unterdessen einen Stopp ihrer Beitragszahlungen an die Unesco an.
Der israelische Unesco-Botschafter nannte die Abstimmung eine Tragödie. Das israelische Außenministerium teilte mit, man werde die weitere Zusammenarbeit mit der UN-Organisation überdenken. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte vor Abgeordneten, "unglücklicherweise weigern die Palästinenser sich weiterhin, mit uns zu verhandeln. Anstatt am Verhandlungstisch zu sitzen, haben sie sich dazu entschieden, eine Allianz mit der Hamas einzugehen und einseitige Schritte bei den UN zu unternehmen, so wie heute“. Die israelische Regierung werde dem nicht still zusehen, sagte er.
"Mein Herz ist mit Freude erfüllt. Das ist ein wirklich historischer Moment“, sagte der palästinensische Außenminister Raid Malki. "Wir hoffen, dass der heutige Sieg bei der Unesco nur einen Anfang markiert.“ Auch die Hamas-Regierung im Gazastreifen begrüßte das Abstimmungsergebnis und sieht sich dadurch in ihrer konfrontativen Haltung gegenüber Israel bestärkt.
USA setzen Zahlungen am Unesco aus
US-Abgeordnete hatten vor der Abstimmung mit Einstellung ihrer jährlichen Beitragszahlungen an die Unesco gedroht. Noch am Montag gaben die USA bekannt, die für November geplanten Zahlungen in Höhe von 60 Millionen Dollar (42 Millionen Euro) einzustellen. Die USA stellten bislang 22 Prozent der Mittel der Unesco zur Verfügung. Allerdings überlebte die Organisation in der Vergangenheit auch ohne US-Gelder. Unter dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan zogen sich die USA bereits einmal aus der Organisation zurück, um unter Präsident George W. Bush wieder beizutreten.
Die US-Regierung bezeichnete die Aufnahme Palästinas in die Unesco als voreilig. Dieser Schritt untergrabe die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um einen umfassenden Friedensplan für den Nahen Osten, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Montag. Die Abstimmung sei außerdem eine Ablenkung von dem Ziel direkter Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.
+++ Palästinenser erinnern Obama an Versprechen +++
Wie die USA hatte auch Deutschland aus Rücksicht auf die Auswirkungen auf den Friedensprozess gegen eine Aufnahme der Palästinenser gestimmt. Das derzeit im UN-Sicherheitsrat laufende Verfahren dürfe nicht beeinträchtigt werden, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Außerdem bestehe die Gefahr, dass durch den Schritt die erst kürzlich begonnenen, "ohnehin schon schwierigen indirekten Gespräche“ zwischen Israelis und Palästinensern zusätzlich belastet würden.
Die SPD reagierte mit Kritik auf das deutsche Votum und nannte es blamabel. Deutschland stehe mit seinem Nein „weltweit ziemlich isoliert“ da, sagte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler am Montag in Berlin. Statt sich gemeinsam der Stimme zu enthalten, hätten insbesondere Deutschland und die Niederlande mit ihrer Ablehnung dazu beigetragen, dass Europa wieder einmal ein "Bild der Zerrissenheit“ abgebe. Die Abstimmung sei ein "Fiasko für die Europäer“. Außenminister Guido Westerwelle habe seinen Anteil an dieser Blamage.
Symbolischer Erfolg
So groß der symbolische Erfolg bei der Abstimmung am Montag für die Palästinenser war, einem eigenen palästinensischen Staat sind sie dadurch nicht näher gekommen. Die Frage der Grenzziehung, die Sicherheitsprobleme und zahlreiche andere offene Fragen, die den Friedensprozess seit jeher belasten, bleiben ungeklärt.
Und während die Palästinenser in Paris ihren Erfolg feierten, kamen aus Sarajevo schlechte Nachrichten für den Antrag der Palästinenser auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Die USA kündigten zwar an, eine Aufnahme der Palästinenser in jedem Fall mit ihrem Veto zu verhindern, doch hofften die Palästinenser durch einen Sieg bei der Abstimmung im Sicherheitsrat die USA dazu zwingen zu können, sich gegen den Willen der Weltgemeinschaft stellen zu müssen. Aus palästinensischen Diplomatenkreisen hieß es, man habe acht Stimmen sicher und rechne damit, mit dem Votum Bosniens die notwendigen neun Stimmen zu erreichen.
Ein Berater der bosnischen Präsidenten sagte nun am Montag jedoch, dass sein Land sich voraussichtlich der Stimme enthalten werde. In der bosnischen Führung herrsche keine Einigkeit über die Frage, der UN-Botschafter müsse sich somit enthalten.
Hintergrund: Türöffner Unesco – von Deutschland bis Palästina
Die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) war schon für mehrere Staaten ein Türöffner auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Palästina wartet noch auf eine Entscheidung zu seinem UN-Mitgliedsantrag, wurde am Montag aber schon als Vollmitglied in die Unesco aufgenommen.
Auch die beiden deutschen Staaten saßen lange vor ihren UN-Beitritten im September 1973 mit Sitz und Stimme in der Generalkonferenz der Bildungs- und Kulturorganisation. Vermittelt durch die Alliierte Hohe Kommission wurde die Bundesrepublik bereits im Juli 1951 als 64. Mitgliedstaat aufgenommen. Im November 1972 wurde der dritte Beitrittsantrag der DDR angenommen. Die DDR wurde der Unesco-Staat Nummer 130. Damit war die Unesco die erste Sonderorganisation der Vereinten Nationen, der Ost-Berlin als Vollmitglied angehörte.
Mit Material von dpa und dapd