Ziel des Anschlags im marokkanischen Marrakesch war ein Café. Unter den Toten sollen auch elf ausländische Touristen sein.
Berlin. Hinter dem Bombenanschlag auf ein Touristencafé in der marokkanischen Stadt Marrakesch steckt offenbar die Al-Qaida. Der marokkanische Innenminister Taib Cherqaoui sagte am Freitag, die Art des Anschlags deute daraufhin. Die Bluttat am Donnerstag sei mit einer ferngesteuerten Bombe verübt worden, die mit Nägeln gefüllt gewesen sei.
Cherqaoui bestätigte Berichte der amtlichen Nachrichtenagentur MAP, wonach 16 Menschen bei dem Anschlag auf das Café Argana am Djemma-el-Fna-Platz im Zentrum von Marrakesch ums Leben kamen. 14 der Toten waren Ausländer, darunter mindestens sieben Franzosen. 25 Menschen seien bei der Explosion verletzt worden, 14 befänden sich noch im Krankenhaus.
Der Anschlag ist der folgenschwerste in dem nordafrikanischen Königreich seit acht Jahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekundete in einem Kondolenzschreiben an den marokkanischen König Mohammed VI. ihr Beileid. „Die Bundesregierung verurteilt diesen barbarischen Terrorakt auf das Schärfste“, hieß es in dem Brief.
US-Außenministerin Hillary Clinton nannte das Attentat einen „feigen Anschlag“ und sagte Marokko Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zu. Auch der Weltsicherheitsrat verurteilte den Anschlag scharf. Das Gremium in New York sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich erschüttert.
Nach Angaben von Bundesaußenminister Guido Westerwelle sind offenbar keine Deutschen unter den Opfern des Anschlags in Marrakesch. Zugleich verurteilte er den Terroranschlag und drückte den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus.
Zwar habe man keine näheren Informationen über die Hintergründe der Tat. Es sei aber wichtig, dass der Reformprozess in Marokko fortgesetzt werde. Dies sei die eigentliche Chance für das Land und dürfe nicht „weggebombt“ werden, sagte Westerwelle am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“.
Lesen Sie dazu auch:
Terror erreicht den "Platz der Gaukler"
Der Dschamaa al-Fna in Marrakesch, der "Perle des Südens", gehört zum Pflichtprogramm eines jeden Marokkoreisenden. Reges Treiben den ganzen Tag: Schlangenbeschwörer, Geschichtenerzähler, Tanzäffchen, Wasserträger und Couscous-Garküchen. Ein Festival für Augen, Ohren und Gaumen, denn natürlich bieten der angrenzende Basar und die den Platz umringenden Dachcafés alle Genüsse des Maghreb, des islamischen Westens. Ausgerechnet dieser "Platz der Gaukler" in der Stadt am Fuße des Hohen Atlas, die neben Meknes, Fes und Rabat zu den Königsstädten Marokkos zählt, ist Tatort eines Anschlags geworden.
Die Behörden gehen nach Auswertung der ersten Beweismittel vom Tatort von einem Terroranschlag aus. "Den Hinweisen nach, die wir haben, war es ein Anschlag", sagte ein Vertreter des Innenministeriums. Ein Vertreter der Präfektur fügte hinzu, in einem der Opfer seien Nägel gefunden worden. Möglicherweise sei der Sprengsatz eines Selbstmordattentäters damit gespickt gewesen. Mindestens 18 Menschen kamen nach Angaben der Rettungskräfte ums Leben, etwa 20 wurden verletzt. Unter den Todesopfern sollen auch elf ausländische Touristen sein. Eine Sprecherin der Bundesregierung in Berlin sagte, es werde geprüft, ob auch Deutsche betroffen seien.
Die Detonation ereignete sich in dem beliebten Café Argana auf dem Dschamaa al-Fna. Sie war so gewaltig, dass sie noch in zwei Kilometern Entfernung zu hören war, berichteten Augenzeugen. Das Restaurant und Kaffeehaus ist ein Touristenmagnet in Marokkos malerischer Wüstenstadt.
Das stets gut besuchte Argana am Rand der Altstadt ist auf ein internationales Massenpublikum ausgerichtet. Es passt traditionelle nordafrikanische Küche an den Geschmack der Urlauber aus aller Welt an.
Von der Restaurantterrasse bietet sich ein spektakulärer Blick über den Hauptplatz am Basarviertel. Das von historischen Bauten umgebene Gelände ist als Unesco-Welterbe geschützt. Auf diesem Platz wurden Teile des Hitchcock-Klassikers "Der Mann, der zu viel wusste" von 1956 gedreht.
Der Platz war damals die orientalische Kulisse für Doris Day und James Stewart, die als amerikanisches Touristenehepaar in eine Mord- und Spionagegeschichte verstrickt werden. Auch beim Film "Sex and the City 2" mit Sarah Jessica Parker diente das Markttreiben als Schauplatz.
Augenzeugen berichteten von chaotischen Szenen auf dem beliebten Platz. "Es gab einen riesigen Knall, es stieg viel Rauch auf und es regnete Trümmer. Hunderte Menschen rannten in Panik umher, einige hin zum Café, andere weg vom Platz. Die gesamte Fassade des Cafés wurde weggesprengt", sagte der Londoner Andy Birnie. Er verbringt seine Flitterwochen in Marrakesch. "Es war Mittagszeit, deshalb war viel los auf dem Platz", sagte er. "Wir haben den Platz gerade betreten, waren aber durch Stände abgeschirmt. Einheimische sagten uns, dass Gasflaschen explodiert seien."
Auch Matthias Luft aus dem hessischen Lauterbach hat den Anschlag aus nächster Nähe miterlebt. "Ich stand direkt vor dem Lokal und hab die Brocken, die dort spritzten, abbekommen", sagte er dem Sender Hit Radio FFH am Telefon. Ihm sei zwar nichts passiert. "Ich war aber natürlich sehr erschrocken, die Knie zittern, zwischendurch kamen einem auch die Tränen hoch, wenn man die Opfer gesehen hat, die rausgetragen wurden", sagte Luft. "Das war alles schon verwirrend, irritierend. Fast noch erschreckender war, dass fast jeder Zweite gefilmt hat".
Es ist das schwerste Attentat der vergangenen acht Jahre in Marokko, das in den vergangenen Jahren von folgenreichen Terroranschlägen weitgehend verschont geblieben war. 2003 verübten mehrere Selbstmordattentäter in Casablanca einen Anschlag, bei dem einschließlich der Attentäter 45 Menschen ums Leben kamen. Die marokkanischen Behörden haben seitdem regelmäßig mutmaßliche Terroristen festgenommen und extremistische Gruppierungen verboten.
Aber auch Marokko blieb von den jüngsten Entwicklungen im gesamten arabisch-islamischen Raum nicht unbeeindruckt. Woche für Woche demonstrieren Zehntausende auf den marokkanischen Straßen für Reformen, für eine neue Verfassung, für mehr politische Mitbestimmung. Besonders aber die im Königreich verbotenen Islamisten nutzen den nationalen Unmut, um für ihre antimonarchistische Agenda zu werben.
Doch die Proteste richten sich kaum gegen König Mohammed VI., der in der Bevölkerung beliebt ist und verehrt wird. Als direkter Nachkomme des Propheten Mohammed genießt der "Führer aller Gläubigen" hohe Anerkennung. Im Juni will der Monarch per Referendum über eine reformierte Verfassung abstimmen lassen. Es scheint, als wollten extremistische Kräfte in seinem Reich darauf nicht mehr warten. Verantwortlich für die Tat soll nach Vermutungen der Polizei die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündete Marokkanische Gruppe Islamischer Kämpfer (GICM) gewesen sein.