Japanischer Abgeordneter warnte schon 2008. Betreiber der Atomkraftwerke und Ministerium verschleierten nukleare Unfälle

Hamburg. Der Mann, der die Katastrophe kommen sah, heißt Taro Kono. Er ist Generaldirektor der konservativen Partei LDP und sitzt seit 1996 im japanischen Abgeordnetenhaus, zurzeit in der Opposition. Seit Jahren warnt der 47-Jährige vor der nuklearen Gefahr. Besonders deutlich wurde er bei einem Abendessen mit dem Energie-Attaché der amerikanischen Botschaft am 21. Oktober 2008. "Kono kritisierte die japanische Bürokratie und die Stromversorger für ihre veraltete Nuklearstrategie. Sie unterdrückten die Entwicklung alternativer Energien und verheimlichten Informationen vor Parlament und Öffentlichkeit", kabelte der US-Botschafter Thomas Schieffer wenige Tage nach dem Gespräch aus Tokio.

Die vertrauliche Depesche hat jetzt die Enthüllungswebsite WikiLeaks veröffentlicht. "Kono behauptete, dass die japanischen Energiekonzerne Kosten und Sicherheitsprobleme der Nuklearenergie verheimlichten, während sie der Öffentlichkeit erfolgreich die Idee des 'Uran-Recyclings' verkauften", heißt es in der Depesche. Insbesondere die Wiederaufbereitung habe Kono heftig kritisiert. Billiger wäre es, "einen Uranberg in Australien zu kaufen", habe der Politiker gesagt.

Auch die Macht der Stromkonzerne war Gesprächsthema beim Abendessen in der Botschaft. Der Abgeordnete hätte sie selbst erlebt. Kono zufolge habe ein TV-Sender ein dreiteiliges Interview mit ihm zur Nuklear-Frage abgesetzt, nachdem die Konzerne gedroht hätten, ihr Sponsoring zurückzuziehen.

Scharf griff der Politiker das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie an, das nukleare Unfälle verschleiert habe. Das Ministerium entscheide, was die Abgeordneten erführen. Außerdem gestalte die japanische Regierung Subventionen für alternative Energieprojekte so kurz, dass sich keine Investoren fänden.

Die britische Zeitung "The Telegraph" zitierte gestern eine weitere WikiLeaks-Depesche. Demnach habe die Internationale Atomenergiebehörde Japan im Dezember 2008 gewarnt, dass die Erdbebensicherheit für Atomkraftwerke nicht überall gegeben sei. Erdstöße hätten das Design einiger Anlagen überfordert. Die Sicherheitsvorschriften für Erdbeben seien in 35 Jahren nur dreimal überarbeitet worden.

Der Politiker Kono klagte darüber, dass Japan keine dauerhafte Lagerstätte für hoch radioaktiven Abfall habe. Die Passage der Depesche klingt im Nachhinein geradezu prophetisch. Kono argumentiert mit der seismischen Aktivität und dem hohen Grundwasser. Kono habe die Frage gestellt, ob es wirklich einen sicheren Lagerplatz für den Nuklearmüll gibt im - so wörtlich - "Land der Vulkane".