Japan droht Kampf gegen den Super-GAU zu verlieren

Tokio/Hamburg. Man möchte diese Worte nicht hören, die aus dem Mund des amerikanischen Kraftwerks-Ingenieurs Arnie Gundersen kommen. "Die scheinen das Handtuch geworfen zu haben", sagt Gundersen. Es gibt nach dieser Katastrophe die Wucht der Bilder. Und es gibt die Wucht der Worte, die genauso mächtig die Hilflosigkeit aller Beteiligten widerspiegeln. "Nicht so gut" sei die Lage in dem in Brand geratenen Atomkraftwerk Fukushima. Das räumte Japans Regierung nun ein. 50 Arbeiter kämpfen im Atomkraftwerk Fukushima noch mit Meerwasser gegen die Kernschmelze. Es waren mal 800. Das Handtuch scheint geworfen.

Japan droht den Kampf gegen den drohenden Super-GAU zu verlieren. Versuche, die heiß gelaufenen Reaktoren zu kühlen, standen gestern vor dem Scheitern. Die wenigen verbliebenen Arbeiter wurden vorübergehend abgezogen und Hubschrauber konnten wegen der hohen Radioaktivität kein Kühlwasser abwerfen. Wie verzweifelt die Lage ist, belegten Planungen der Polizei, Wasserwerfer zur Kühlung einzusetzen. Die Internationale Atomenergieagentur IAEA zeigte sich erstmals frustriert über Japan und verlangte detaillierte Informationen.

Nach Angaben des Betreibers Tepco hat der Reaktor 3 nun Priorität, dessen Dach durch eine Explosion beschädigt wurde und aus dem zeitweise Dampf entwich. Dieser Reaktor verwendet auch das hochgiftige Plutonium als Brennstoff. Das extrem krebserregende Schwermetall hat eine Halbwertszeit von 24 110 Jahren. Die Bedrohung durch die Strahlen ist nur die eine Gefahr für Japan. Die andere ist die Kälte in der Nacht. Ein Temperatursturz verschlimmerte die Lage der Hunderttausenden Obdachlosen nach dem Erdbeben und dem Tsunami. Viele litten unter Durchfall und anderen Krankheiten. Allein in der am stärksten betroffenen Präfektur Miyagi werden 10 000 Tote befürchtet. Rund um das Kraftwerk Fukushima wurden rund 556 000 Menschen in Sicherheit gebracht.

In Schulen, Turnhallen und anderen großen Gebäuden wurden Notlager eingerichtet. Fast überall in der Krisenregion fehlt den Menschen Strom, Trinkwasser, Nahrung. Dünne Wolldecken geben ein bisschen Wärme. Manche teilen sich zur viert, zu fünft eine Decke. Andere Opfer wärmen sich am Lagerfeuer. In mehreren Orten in dem Erdbebengebiet schneit es. Die Rettungsleute in ihren knallroten Uniformen graben sich durch die Trümmer auf der Suche nach Überlebenden. Sie haben noch nicht aufgegeben - auch jetzt, sechs Tage nach der Katastrophe.

Die Singapurer Bank DBS schätzt die Kosten der Katastrophe auf 72 Milliarden Euro, zwei Prozent von Japans Bruttoinlandsprodukt. Geld, das im stark betroffenen Miyagi die Wirtschaft beflügeln könnte. Ein neuer Flughafen in der Hauptstadt Sendai, bessere Straßen und Telefonverbindungen und Anreize für Firmen zu investieren, sollen die Region neu beleben. Es gibt dieser Tage auch gute Nachrichten.