Verletzte bei wütenden Protesten in Afghanistan gegen Koran-Verbrennung in Florida. Ob diese tatsächlich stattfindet, ist jedoch unklar
Hamburg/Kabul. Inmitten einer kompletten Verwirrung über die Pläne und Aussagen des amerikanischen Pastors Terry Jones, der mit dem Verbrennen von Koran-Exemplaren am 11. September gedroht hat, ist es in Afghanistan am Freitag zu gewaltsamen Protesten gekommen. Jones hatte zunächst auf der Aktion bestanden, dann erklärt, sie sei abgesagt, um später wiederum mitzuteilen, die Bücherverbrennung sei nur "ausgesetzt".
Wie die "New York Times" berichtete, versuchten derweil mehrere Tausend aufgebrachte Afghanen in Faisabad einen Nato-Stützpunkt zu stürmen, der von deutschen Soldaten bewacht wird. Die wütende Menge sei nach dem Freitagsgebet aus der Moschee gekommen und habe zunächst die afghanischen Sicherheitskräfte außerhalb des Zaunes überrannt. Die Deutschen hätten erst Warnschüsse abgegeben und angesichts des mit Knüppeln und Steinen bewaffneten Mobs dann scharf geschossen, berichtete das US-Blatt unter Berufung auf den afghanischen Polizei- Kommandeur Aga Nur Kentuz.
Der Direktor des örtlichen Krankenhauses, Abdul Mohmin Jalalai, sagte, fünf Zivilisten seien eingeliefert worden, vier von ihnen seien in kritischem Zustand. Auch fünf Polizisten seien verwundet worden. Die Bundeswehr bestätigte die gewaltsamen Proteste, sprach aber von acht Verletzten.
Polizeichef Kentuz sagte weiter, die Demonstranten seien wütend gewesen, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Verleihung eines Preises an den dänischen Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikaturen teilgenommen habe. Auf dieser Veranstaltung hatte sich Merkel aber zugleich scharf gegen das Vorhaben einer Koran-Verbrennung ausgesprochen.
Auch an zahlreichen anderen Orten Afghanistans kam es zu teilweise gewalttätigen Protestaktionen - so in Kabul und Dschalalabad und den Provinzen Bamyan, Kunar und Kapisa. Im westafghanischen Bala Buluk in der Provinz Farah starb ein Demonstrant an den Folgen einer Schusswunde. Auch dort war versucht worden, in einen Nato-Stützpunkt einzudringen. "Wir wissen nicht, wer ihn erschossen hat", sagte ein afghanischer Notarzt.
"Wenn sie den Koran verbrennen, werden wir amerikanische Stützpunkte angreifen und die Straßen blockieren, auf denen sie versorgt werden", sagte der Islam-Geistliche Sahidullah in Nangahar. Pastor Jones, Hirte einer kaum 50 Mitglieder zählenden evangelikalen Gemeinde in Gainesville in Florida, hatte die weltweit kritisierten Pläne einer öffentlichen Verbrennung von Dutzenden Koranen als "Signal an die Islamisten" am Vortag überraschend abgesagt. Vor der Presse erklärte er, Grund dafür sei, dass der örtliche Imam Mohammed Musri ihm versichert habe, als Gegenleistung für das Absagen der Aktion werde der umstrittene Bau einer Moschee nahe Ground Zero verlegt - wo am 11. September 2001 die von Al-Qaida-Terroristen entführten Flugzeuge das World Trade Center zerstört und fast 3000 Menschen getötet hatten.
Doch Musri bestritt diese Absprache und meinte, Jones habe sie sich offenbar ausgedacht, um einen Vorwand zu haben, die Verbrennung abzusagen und dabei sein Gesicht zu wahren.
"Er hat mich beschuldigt, ihn zu belügen - was ich nicht getan habe", sagte Musri. "Ich habe mich ihm gegenüber unmissverständlich ausgedrückt."
Jones sage, er sei "verärgert und schockiert", weil man ihn belogen habe, und behauptete anschließend, er werde am Sonnabend nach New York fliegen, um mit dem religiösen Initiator des Moscheebaus, Imam Feisal Abdul Rauf, über einen alternativen Standort zu reden. "Wenn ich Rauf treffe, werden wir die Korane natürlich nicht verbrennen", sagte Jones. Offenbar soll von dem Gespräch abhängen, ob die Verbrennungsaktion doch noch stattfinden soll. Rauf bestritt aber, dass er mit Jones eine Verlegung vereinbart habe. Überhaupt habe er weder mit Jones noch mit Musri gesprochen.
US-Baulöwe und Immobilienmogul Donald Trump bot derweil an, den für das Islam-Zentrum samt Moschee vorgesehenen Standort für einen Preis zu kaufen, der 25 Prozent über dem Betrag liege, den die derzeitigen Besitzer bezahlt hätten. "Ich mache dieses Angebot als Einwohner von New York und Bürger der Vereinigten Staaten", sagte Trump, "nicht weil ich meine, dass der Standort ein spektakulärer ist - was ich nicht finde -, sondern weil es eine sehr ernste, brandgefährliche und hochgradig spaltende Situation entschärfen wird - die meiner Ansicht nach nur noch schlimmer werden würde."
Am Donnerstag hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates Jones in einem Telefonat gebeten, auf die Verbrennung der Korane zu verzichten. Auch US-Präsident Barack Obama hatte Jones dazu aufgerufen. Die Aktion selber kann aufgrund der Meinungs- und Religionsfreiheit in den USA nicht amtlich verboten werden. Allerdings hatte die Feuerwehr von Gainesville der Sekte "Dove World Outreach Center" verboten, ein offenes Feuer zu entzünden. Wie Jeffrey Westcott von der US-Bundespolizei berichtete, suchte das FBI den Pastor an seinem Wohnort auf und übte offenbar Druck auf ihn aus.
Jones hatte die Warnungen von General David Petraeus, Kommandeur der Truppen in Afghanistan, vor Racheakten an US-Soldaten mit den Worten kommentiert: "Der General soll lieber mit seinem Finger auf die radikalen Islamisten zeigen und denen sagen, sie sollen die Klappe halten. Wir verbrennen das Buch. Wir bringen niemanden um. Wir ermorden keine Leute."