Auch deutsche Sicherheitsexperten sind vor dem 11. September besorgt. Ein Deutscher soll zwischenzeitlich entführt worden sein.
Kabul/Washington. Bei Protesten Tausender Muslime gegen die geplante Koranverbrennung in den USA ist am Freitag ein Mensch in Afghanistan getötet worden. Der Demonstrant sei vor einem von der Bundeswehr geführten Nato-Stützpunkt in der nordafghanischen Provinz Badachschan erschossen worden, teilte ein Provinzsprecher mit. Die Demonstranten hätten den Stützpunkt angegriffen. Ein Polizeisprecher wollte den Tod eines Mannes zunächst nicht bestätigen.
Ein Sprecher der Nato-geführten Truppen sagte, es sei bekannt, dass es Proteste in der Provinzhauptstadt Faisabad gebe, die Berichte würden untersucht. Offiziellen Angaben zufolge versammelten sich rund 10.000 Menschen nach Gebeten zum Ende des Fastenmonats Ramadan in den Straßen Badachschans, um gegen die Pläne evangelikaler Fundamentalisten in den USA zu demonstrieren.
Außerdem gab es Gerüchte um einen vorübergehend entführten Deutschen. Aus Sicherheitskreisen in Kabul erfuhr die Nachrichtenagentur dpa, es habe sich um einen Mitarbeiter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) gehandelt. Die Freilassung sei „nach kurzer Zeit“ erreicht worden, ohne dass Lösegeld gezahlt worden sei. Zu dem Vorfall sei es bereits in der vorvergangenen Woche in der westafghanischen Provinz Herat gekommen. Die Geiselnahme habe einen kriminellen und keinen politischen Hintergrund gehabt, hieß es weiter. Die Tat sei geheim gehalten worden, um die Verhandlungen mit den Kidnappern nicht zu gefährden.
An diesem Freitag und am Wochenende muss mit weiteren Toten im Zusammenhang mit Protesten gegen die Koranverbrennung gerechnet werden. Auslöser der heftigen Proteste rund um den neunten Jahrestag der verheerenden Attacken vom 11. September 2001 ist der Pastor Terry Jones. Er hat sich anscheinend selbst durch den Anruf des US-Verteidigungsministers Robert Gates nicht wirklich umstimmen lassen. Sein Plan zur Koranverbrennung am 11. September besteht offenbar nach wie vor. Das Hickhack um seine spektakuläre Aktion ist noch nicht beendet. Es wird befürchtet, dass Muslime in aller Welt extrem auf die Koranverbrennung reagieren und es zu wahren Gewaltexzessen kommt.
Dabei hatte auch New Yorker Bauunternehmer Donald Trump in den Konflikt eingreifen wollen. Er hat der muslimischen Gemeinde im Streit um ihre geplante Moschee in der Nähe von Ground Zero Medienberichten zufolge ein Kaufangebot gemacht. Er wolle den Muslimen 25 Prozent mehr für das Grundstück zahlen, als sie selbst ausgegeben haben, berichtete der Radiosender WNYC. Dafür müssten sie aber zusagen, ihr kulturelles Zentrum mit der Moschee wenigstens fünf Häuserblocks von Ground Zero entfernt zu errichten.
Laut WNYC richtete Trump das Angebot schriftlich an einen Finanzier des 100-Millionen-Dollar-Bauprojekts. Kurz zuvor hatte Pastor Jones die Koran-Verbrennung abgesagt. Er gab im Fernsehen bekannt, seine Entscheidung hänge damit zusammen, dass die Moschee nun an einem anderen Ort gebaut werde. Doch das ist alles ungewiss.
Auch Deutschland könnte nach Einschätzung von Sicherheitsexperten wegen der geplanten Koran-Verbrennung Schauplatz von Anschlägen werden. „Sollte es zu der Koranverbrennung kommen, ist Gewalt gegen amerikanische Einrichtungen und Bürger weltweit zu befürchten; und da ist Deutschland nicht ausgenommen“, sagte der Vize-Direktor des Essener Instituts für Terrorforschung, Kai Hirschmann, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aktion sei ein Schlag ins Gesicht für alle Muslime und helfe radikalen Islamisten, auch gemäßigte Gläubige für sich zu gewinnen.
Eine Koranverbrennung wird von Muslimen als Verstoß gegen Gott empfunden und somit als schlimmstes Verbrechen überhaupt. Nach islamischem Glauben ist der Koran das Wort Gottes, das dem Propheten Mohammed durch den Engel Gabriel offenbart wurde. Das Buch definiert nicht nur den islamischen Glauben, sondern ist für Muslime der Leitfaden für ihr tägliches Leben und Verhalten. „Wenn ein Mensch das offenbarte Wort Gottes verbrennt, würde dies von allen Muslimen als schlimmstes Verbrechen betrachtet“, sagte Religionswissenschaftler Abdel Moeti Bajumi von der islamischen Universität al-Ashar in Kairo.
Der Koran wird von Muslimen als Wunder betrachtet, weil es dem islamischen Glauben zufolge ein Analphabet war, der von Gott auserwählt wurde, dessen Wort den Menschen über einen Zeitraum von 23 Jahren zu vermitteln. Nach dem Tod Mohammeds im Jahre 632 wurde der Koran in seine heutige Form gebracht, bestehend aus 114 als Suren (Verse).
Im Islam ist das Verbrennen oder Vergraben eines Korans nur erlaubt, wenn dieser beschädigt oder der Wortlaut verändert wurde. In diesem Fall soll verhindert werden, dass das Wort Gottes beschmutzt wird. Das Berühren eines Korans ist Muslimen nur in einem Zustand der Reinheit erlaubt, den sie durch die Ausführung von Ritualen erreichen.