Israels Premier und der Palästinenserpräsident haben in den ersten Verhandlungen seit zwei Jahren das Ziel der “Zwei-Staaten-Lösung“ betont.
Washington. Lichtblick für den Nahen Osten: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wollen innerhalb eines Jahres eine Friedenslösung erreichen. Darauf einigten sich beide Seiten am Donnerstag in Washington, wie der US-Sondergesandte George Mitchell sagte. Er sprach nach dem Auftakt der Verhandlungen von einer sehr konstruktiven und positiven Stimmung. Allerdings gebe es weiterhin sehr ernste Differenzen zwischen den Konfliktparteien.
Netanjahu und Abbas hätten bei ihren ersten direkten Gesprächen seit zwei Jahren das Ziel der „Zwei-Staaten-Lösung“ betont. Ein stabiler Palästinenserstaat solle neben einem in Sicherheit lebenden Israel existieren. Innerhalb eines Jahres sollten alle Kernfragen gelöst werden, sagte Mitchell. Bereits zuvor wollten die Konfliktparteien ein Rahmenabkommen vorlegen. Er sei überzeugt, dass er seit über 60 Jahren andauernde Konflikt zu lösen sei, fügte Mitchell hinzu.
In den Verhandlungen seien bereits erste Vereinbarungen getroffen worden, nach Ansicht von Beobachtern zählten dazu noch keine kritischen Punkte. Eine weitere Gesprächsrunde sei am 14. und 15. September in der Nahost-Region geplant. Über den genauen Tagungsort wurde noch beraten. Danach soll es weitere Treffen im Zwei-Wochen-Rhythmus geben, sagte Mitchell.
Schon bei Beginn der Verhandlungen im US-Außenministerium hatten sich beide Seiten überraschend optimistisch geäußert. „Ich sehe in Ihnen einen Partner für den Frieden“, sagte Netanjahu direkt an Abbas gerichtet. „Wir wollen eine neue Ära in der Region, die Frieden und Wohlstand für alle bringt“, antwortete Abbas.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte die erste Verhandlungsrunde, die etwa 90 Minuten dauerte, eröffnet und auch daran teilgenommen. Sie mahnte, die Zeit für „schwierige Entscheidungen“ sei gekommen. Bei allen Schwierigkeiten sei doch ein Durchbruch in dem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt sei möglich.
Im Anschluss an die Verhandlungen hatten Abbas und Netanjahu noch im engsten Kreis miteinander gesprochen. Über diese Zusammenkunft sollten – wenn überhaupt – nur sehr wenige Informationen publik gemacht werden, sagte Mitchell.
Unterdessen kündigte die radikal-islamische Hamas-Organisation am Donnerstag neue Anschläge gegen Israel an. Sie hatte sich bereits zu den Attacken am Dienstag und Mittwoch bekannt, bei denen vier israelische Siedler getötet und zwei weitere verletzt wurden. Die Angriffe seien eine Botschaft an Israel und die Palästinenserführung von Abbas, „dass ihre Verbrechen nicht ohne Strafe bleiben werden“, sagte Abu Obeida, Sprecher des bewaffneten Hamas-Arms.
Israelische Sicherheitsbehörden erhöhten ihre Alarmbereitschaft. „Wir stellen uns nach zwei Anschlägen binnen gut 24 Stunden auf eine mögliche Serie von weiteren Attacken ein“, sagte Polizeisprecher Mickey Rosenfeld am Donnerstag. Vor allem im Westjordanland seien zusätzliche Patrouillen im Einsatz.
Netanjahu deutete die Bereitschaft zu Zugeständnissen an und rief zu „schmerzhaften Konzessionen beider Seiten“ auf. Er verstehe den Wunsch der Palästinenser nach einem eigenen, souveränen Staat. Dagegen habe Israel besondere Bedürfnisse nach Sicherheit. „Sicherheit ist die Grundlage des Friedens.“ Es bestehe die seltene Chance auf Frieden. „Gemeinsam können wir unsere Völker in eine historische Zukunft führen.“
„Der Weg zum Frieden liegt klar vor uns“, meinte Abbas und verwies auf entsprechende UN-Resolutionen. Es sei an der Zeit, die „israelische Invasion der Palästinensergebiete, die 1967 begonnen hat“, vollständig zu beenden. Wie auch Netanjahu verurteilte Abbas die jüngsten Terroranschläge. „Sicherheit ist für uns beide entscheidend.“ Abbas sprach aber auch die drohenden Stolpersteine der Verhandlungen offen an: Der israelische Baustopp in Palästinensergebieten dürfe nicht aufgehoben, das Embargo des Gaza- Streifens müsse beendet werden.
Skeptiker warnen, ein Jahr Verhandlungen sei viel zu kurz. Außerdem ist die in Gaza herrschende radikalislamische Hamas nicht an den Gesprächen beteiligt. Sie lehnt die Verhandlungen ab. Als Hauptprobleme der Verhandlungen gelten die Grenzen eines künftigen Palästinenserstaates und die von den Palästinensern geforderte Rückkehr von Millionen Flüchtlingen. Weitere Stolpersteine sind der künftige Status Jerusalems und die jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle wertete die Gespräche als Chance. „Mehr ist es noch nicht“, fügte er hinzu. „Wir appellieren an alle Beteiligten, ein Umfeld zu schaffen, das den Erfolg dieser Friedensgespräche ermöglicht.“ UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich „sehr ermutigt und erfreut“ über den Beginn der Verhandlungen. „Das wird kein leichter Prozess“, räumte er in Wien ein. Mit Blick auf Anschläge im mahnte Ban die Verhandlungspartner, ihre Gespräche nicht durch „zynische“ Attacken torpedieren zu lassen.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy forderte die Konfliktparteien nach der ersten Runde der Gespräche auf, künftig alle Aktionen zu unterlassen, die eine Fortsetzung der Verhandlungen gefährden könnten. Gleichzeitig versprach er starke Initiativen, um den Friedensprozess zu unterstützen. Eine der ersten Gelegenheiten dafür soll ein Gipfeltreffen der von Frankreich und Ägypten geführten Mittelmeerunion Ende November in Barcelona sein.
Dem Verhandlungsbeginn waren am Mittwoch (Ortszeit) bilaterale Treffen mit US-Präsident Barack Obama vorausgegangen. Bei einem Abendessen im Weißen Haus warnte Obama, die Gespräche seien eine Chance, „die vielleicht nicht so bald wiederkommt“. Er sei „vorsichtig optimistisch, aber optimistisch“. An dem Abendessen nahmen auch der jordanische König Abdullah II., der ägyptische Präsident Husni Mubarak und der Brite Tony Blair als Vertreter des Nahost-Quartetts (USA, Russland, EU und UN) teil.
Mubarak rief Israel dazu auf, bei den Verhandlungen Lösungen möglich zu machen. „Ich sage den Israelis: Ergreift diese Chance und lasst sie Euch nicht aus der Hand gleiten (...). Ergreift die Hand, die die Araber Euch in Frieden reichen“, zitierte die ägyptische Tageszeitung „Al-Ahram“ Murabak am Donnerstag.