Deutschland und Russland wollen ihre Partnerschaft intensivieren und in vielen Bereich noch enger als bisher zusammenarbeiten.
Jekaterinburg. Mit einem großen Aufgebot an Kabinettsmitgliedern ist Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in Jekaterinburg zu deutsch-russischen Regierungskonsultationen eingetroffen. Bei ihrer Ankunft betonte sie, die Beziehungen sollten, insbesondere auch bei wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Zusammenarbeit, weiter intensiviert werden. Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle hob hervor, dass die deutsche Delegation auch Menschenrechtsfragen nicht aussparen werde. Ziel der Konsultationen sei, „die Beziehungen zu intensivieren und ... auch zu schauen, wo die deutsch-russische Zusammenarbeit zu einer besseren wirtschaftlichen Zusammenarbeit führen kann, zu einer Modernisierung“, sagte die Kanzlerin bei ihrer Ankunft. „Wir werden auch über innenpolitische Probleme sprechen, über die verschiedenen Fragen, die auch mit Menschenrechten zu tun haben, aber eben auch über Forschung, Bildung und Gesundheit“.
Deutschland und Russland konzentrieren sich zurzeit auf eine „Modernisierungspartnerschaft“, die in vielen Bereichen zu engerer Zusammenarbeit führen soll. Zugleich betonen sie, dass die EU „keine Russland-Politik über die Köpfe von irgendjemandem hinweg“ mache, wie es Westerwelle ausdrückte, unter anderem mit Blick auf Polen oder das Baltikum. Die Beziehungen besonders zwischen den östlichen Mitgliedern der EU und Russland waren vor zwei Jahren durch den Krieg zwischen Russland und Georgien getrübt worden.
Westerwelle nannte das Verhältnis zu seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow, mit dem er auf einem Gestüt am Fuß des Urals zu Abend aß, „gut und vertrauensvoll. Unser Gespräch spart keine Themen aus.“ Delegationsangaben zufolge kam bereits dort das Thema Menschenrechte ebenso wie Sicherheitsthemen zur Sprache. Lawrow erneuerte allerdings die russischen Bedenken gegenüber Sanktionen der EU und der USA gegen den Iran, die über die in der UN-Resolution 1929 hinaus vereinbarten hinausgingen.
Westerwelle zeigte sich zufrieden, dass der „kooperative Ansatz“ der Zusammenarbeit mit Russland „europaweit geteilt“ werde, „auch von den Amerikanern“. „Mir ist es wichtig, dass alle in Europa, insbesondere auch die neuen EU-Mitgliedstaaten mit ihren eigenen historischen Erfahrungen unsere Initiativen mittragen“, sagte der Vizekanzler auf dem Flug nach Jekaterinburg.
Zur deutschen Delegation gehören Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, Wissenschaftsministerin Annette Schavan, Bau- und Verkehrsminister Peter Ramsauer und Umweltminister Norbert Röttgen. Neben Kultur- und Wirtschaftsthemen, etwa der drohenden Erhöhung von Exportzöllen, geht es um die Krisenherde Afghanistan, Iran und Naher Osten.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning reiste ebenfalls nach Asien, um etwa in Usbekistan die aus deutscher Sicht kritischen Themen zur Sprache zu bringen. Er und die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) forderten die Aufklärung des Mordes an russischen Menschenrechtsaktivistin Natalia Estemirowa. Sie wurde vor genau einem Jahr, am 15. Juli 2009, in der Nähe ihrer Wohnung in Grosny entführt und später tot aufgefunden. Löning erklärte in Berlin: „Ich fordere die russischen Behörden auf, in den Anstrengungen zur Aufklärung dieser Gewalttaten nicht nachzulassen. Die Morde müssen lückenlos aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Merkel will laut Regierungskreisen in Jekaterinburg den Mord auch ansprechen.
Die Kanzlerin wollte nach den Konsultationen am Donnerstag nach China weiterfliegen; Westerwelle reist nach Usbekistan. Mit Merkel reisen rund 25 hochrangige Wirtschaftsvertreter. In Russland werden milliardenschwere Vertragsabschlüsse erwartet, darunter mit Siemens über die Lieferung von 220 Regionalzügen im Wert von 2,2 Milliarden Euro. In China stehen für Merkel neben Gesprächen und Empfängen mit Ministerpräsident Wen Jiabao und Präsident Hu Jintao ein Ausflug zur Terrakotta-Armee nach Xi'An auf dem Programm. Daimler will in China ein Joint Venture über Lastwagenproduktion im Wert von 800 Millionen Euro abschließen.
Westerwelle fliegt von Jekaterinburg nach Zentralasien weiter. Dabei geht es unter anderem um die Lage der Flüchtlinge in der von ethnischen Unruhen erschütterten Region Usbekistan und Kirgistan. Im Juni waren im Süden Kirgistans rund 2.000 Menschen bei gewalttätigen Zusammenstößen ums Leben gekommen. Anschließend reist der Vizekanzler zu einem informellen OSZE-Außenministertreffen nach Kasachstan. Westerwelle kehrt am Samstag nach Berlin zurück, Merkel am Sonntag.