Die US-Regierung ist in Sorge. Planübung zeigt: Amerika würde bei einer Operation Israels in einen Krieg im Nahen Osten hineingezogen.
Hamburg. In der amerikanischen Regierung wächst immer mehr die Sorge vor den Konsequenzen eines möglichen israelischen Angriffs auf Irans Atomanlagen. Äußerungen von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und seines Verteidigungsministers Ehud Barak legen nahe, dass die israelische Luftwaffe schon innerhalb der nächsten Monate versuchen könnte, Irans Nuklearindustrie zu bombardieren, falls das Regime von Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Atomstreit nicht einlenke - was derzeit nicht zu erwarten ist.
Das amerikanische Central Command in Tampa im US-Bundesstaat Florida, das für mögliche militärische Aktivitäten der USA in einer riesigen Region von Ägypten über den Nahen Osten und den Iran bis Pakistan zuständig ist, hat einen israelisch-iranischen Krieg zum Gegenstand einer aufwendigen Planübung gemacht. Die Übung "Internal Look" erbrachte ein bestürzendes Ergebnis. Danach werden die USA rasch in einen israelisch-iranischen Krieg hineingezogen werden; die Gefechte werden sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten, der Hunderte US-Soldaten das Leben kosten wird.
Konkret ging das Szenario davon aus, dass der Iran nach einem israelischen Militärschlag amerikanische Kriegsschiffe im Persischen Golf mit Antischiffsraketen angreifen wird. Teheran wird davon ausgehen, dass Washington seinem Verbündeten ohnehin Beistand leistet - und daher vorbeugende Schläge führen. Der Tod Hunderter amerikanischer Seeleute wird US-Präsident Barack Obama dann keine andere Wahl lassen, als mit aller Macht gegen den Iran loszuschlagen.
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Und darauf könnte der israelische Regierungschef mit seinem Angriff durchaus kalkuliert haben. Denn viele Experten bezweifeln, dass Israels Luftwaffe allein in der Lage wäre, die iranische Atomindustrie auszuschalten. Als Lehre aus dem israelischen Zerstörungsangriff auf den irakischen Atomreaktor Osirak 1981 haben die Iraner ihr Atomprogramm dezentralisiert und zum Teil tief verbunkert angelegt.
Die Israelis müssten schon ein Dutzend "Hochwertziele" wie die Urananreicherungsanlagen in Natans und Fordo, den Schwerwasserreaktor in Arak und die Produktion der Uranverbindung "Yellow Cake" in Isfahan vernichtend treffen, um Irans Programm ernsthaft zu stören. Die israelische Luftwaffe steht vor der gewaltigen Herausforderung, dafür mindestens 100 bis 120 ihrer entsprechenden Waffenträger - F-15- und F-16-Kampfjets - über 1600 Kilometer über türkisches, saudisches, irakisches oder jordanisches Staatsgebiet vorbei an der sehr starken iranischen Luftabwehr bis ins Ziel zu bringen - und wieder zurück. Dies geht nicht ohne die riskante Auftankung in der Luft. Dann müssten die Israelis die Anlagen mit speziellen Bunkerbrechern attackieren. Das Problem: Die von den USA gelieferten GBU-28-Bomben vermögen nur rund sieben Meter Beton zu durchschlagen. Das reicht vielleicht für einige unterirdische Anlagen aus - nicht jedoch für die neue Urananreicherungsfabrik in Fordo bei Ghom, um die es den Israelis vor allem geht. Diese Anlage liegt unter 80 bis 90 Meter Fels - wohl unerreichbar selbst für die 14 Tonnen schwere US-Superwaffe "Massive Ordnance Penetrator" (MOP) oder GBU-57, die angeblich bis zu 60 Meter Fels durchschlagen können soll. Die USA arbeiten bereits unter Hochdruck an einer noch stärkeren Version. Doch Israel verfügt weder über diese Waffen noch über Flugzeuge, die sie tragen könnten. Das vermögen allenfalls die amerikanischen Typen B-52 und B-2. Die Experten des Central Command gehen davon aus, dass der anfängliche israelische Angriff Schäden anrichten werde, die das iranische Atomprogramm für ein Jahr zurückwerfen würde. Eine nachfolgende schwere amerikanische Offensive könnte die Iraner um weitere zwei Jahre zurückwerfen. Mehr aber nicht. Wie die "New York Times" schrieb, machte die Planübung dem Central Command unter General James N. Mattis, aber auch der politischen Administration in Washington in drastischer Weise die Unwägbarkeiten eines derartigen Krieges klar.
Dazu zählt auch die Haltung der arabischen Welt, die den Iran zwar als regionalen Machtrivalen betrachtet, deren Völker aber dennoch aggressiv auf einen israelischen Angriff gegen ein muslimisches Land reagieren könnten.
58 Prozent der Israelis haben sich in einer Umfrage gegen einen Militärschlag ausgesprochen, wie die Zeitung "Haaretz" berichtete. Das flächenmäßig kleine Israel ist trotz vieler Schutzbunker und des Raketenabwehrsystems "Eiserne Kuppel" gegenüber Luftangriffen und Terrorakten verwundbar. Der israelische General Aviv Kochavi, Chef des Militärgeheimdienstes Aman, schätzt, dass rund 200 000 Raketen aus Israel feindlich gesonnenen Ländern abgeschossen werden könnten.
Der frühere israelische Generalstabschef und spätere Transportminister Amnon Lipkin-Shahak sagte im vergangenen Monat, es gebe kaum verlässliche Analysen darüber, was nach einem israelischen Militärschlag gegen den Iran in der Region geschehen werde. "Es ist ziemlich klar, dass die meisten, wenn nicht sogar alle führenden Offiziere Israels eine militärische Aktion gegenwärtig nicht unterstützen."