Die beiden Länder haben die Diplomaten zurück geholt: Verschärfung der Sicherheitslage und “Abscheu“ gegen das System als Gründe genannt.
Amman/Beirut. Die USA haben ihre Botschaft in Damaskus geschlossen und alle Mitarbeiter aus Sicherheitsbedenken abgezogen. 17 Mitarbeiter, einschließlich des Botschafters Robert Ford, hätten das Land per Konvoi Richtung Jordanien verlassen. Zwei Mitarbeiter seien bereits vergangene Woche per Flugzeug ausgeflogen worden, berichtet der Fernsehsender "CNN", der sich auf eine nicht näher genannte Quelle im US-Außenministerium beruft.
Laut "CNN" wurde die syrische Regierung erst informiert, nachdem alle Mitarbeiter außer Landes waren. Der Grund für den Abzug läge in der Verschärfung der Sicherheitslage. Die unterschiedlichen "Elemente" der Gewalt zu kontrollieren, ginge über die Fähigkeiten der Regierung hinaus, zitiert "CNN" einen hochrangigen Beamten.
Auch Großbritannien hat jetzt seinen Botschafter aus Syrien zu Konsultationen über die eskalierende Gewalt in dem Land zurückgerufen. Das sagte der britische Außenminister William Hague am Montag in London. Großbritannien nutze verschiedene Wege, um seinen „Abscheu“ über das brutale Vorgehen des syrischen Regimes gegen die Opposition zum Ausdruck zu bringen, sagte er. Um diese Botschaft zu vermitteln, sei außerdem der syrische Botschafter in London ins Außenministerium einbestellt worden.
+++Merkel: Assad hat an der Spitze nichts mehr verloren+++
US-Präsident Barack Obama hält unterdessen eine Lösung des Konflikts in Syrien ohne militärisches Eingreifen von außen für wichtig. Nicht in jeder Situation könne ein Militäreinsatz wie im Fall von Libyen in Betracht gezogen werden, sagte Obama am Montag. Ein Verhandlungslösung sei in Syrien möglich. Er verteidigte die Haltung der USA angesichts des Blutvergießens dort und sagte, seine Regierung habe unablässig gefordert, dass Präsident Baschar Assad von der Macht abtrete. Obama äußerte sich in der „Today“-Show des Fernsehsenders NBC.
Homs unter Beschuss
Nach dem Doppel-Veto Russlands und Chinas gegen die Syrien-Resolution der Vereinten Nationen geht das syrische Militär in der Protesthochburg Homs nach Oppositionsangaben noch einmal verstärkt gegen Regimegegner vor. „Es ist das heftigste Bombardement seit Tagen“, berichtete ein Menschenrechtsaktivist am Montag unter Berufung auf Anwohner. Die Opposition bezifferte die Zahl der Toten in der Stadt seit Montagmorgen auf mindestens 50, die meisten von ihnen seien Zivilisten. Desertierte Soldaten kündigten die Bildung eines „Hohen Revolutionsrats“ an, um den Widerstand gegen Assad zu bündeln. Trotz wachsender Kritik verteidigten Russland und China ihr Veto im UN-Sicherheitsrat gegen eine Resolution, mit der Assad zum Rücktritt aufgefordert werden sollte. Zugleich wurden Rufe nach einer Syrien-Kontaktgruppe lauter, mit der westliche Staaten ihre Beziehungen zur Opposition im Land intensivieren könnten.
Die jüngste Angriffswelle in Homs begann der Opposition zufolge noch vor Anbruch der Dämmerung und schien noch breiter angelegt zu sein als die Offensive am vergangenen Freitag - dabei sollen mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen sein. Anwohner berichteten von Explosionen in mehreren Stadtvierteln. Zudem beschoss die Armee nach Oppositionsangaben Wohnviertel in der nordwestlich gelegenen Stadt Sabadani. „Das Regime verhält sich, als ob es immun gegen eine internationale Intervention sei und eine freie Hand bei der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung habe“, kritisierte Catherine al-Talli, ein hochrangiges Mitglied des oppositionellen Syrischen Nationalrates.
Arabische Fernsehsender zeigten Live-Bilder aus Homs: Explosionen waren zu hören, zudem stieg vielerorts Rauch über den Gebäuden auf. Augenzeugen berichteten, die Armee setze Raketenwerfer ein. Durch das Bombardement wurde offenbar auch eine Ölleitung beschädigt: Die Explosion ereignete sich im heftig unter Beschuss stehenden Stadtteil Bab Amro, eine Hochburg der Oppositionsbewegung.
Der neue „Hohe Revolutionsrat“ soll die zahlreichen Gruppierungen der Protestbewegung bündeln. Der Rat löse den bisherigen Verbund an Deserteuren und Widerstandskämpfern mit dem Namen „Freie Syrische Armee“ ab, erklärte ein Sprecher. Ziel sei es, die Befreiung des Landes voranzutreiben. Chef solle der in die Türkei geflüchtete General Mustafa Ahmed al-Scheich sein. Trotz der eskalierenden Gewalt verhinderten Russland und China am Samstag die UN-Resolution im Sicherheitsrat, was weltweit Empörung und Kritik auslöste. Die Opposition beschuldigte die Vetomächte, Assad eine „Lizenz zum Töten„ erteilt zu haben.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Russland und China vor, mit ihrem Veto ein Ende der Kämpfe verhindert zu haben. „Beide Länder übernehmen damit die Verantwortung, dass Gewalt und Blutvergießen in Syrien ungehindert weitergehen können“, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Zugleich forderte er den Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad. „Der Präsident hat an der Spitze seines Landes nichts mehr verloren.“ Assad solle den Weg für friedlichen Umbruch frei machen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies die Vorwürfe zurück und bezeichneten den Resolutionsentwurf als unausgewogen. Bei seinem Treffen mit Assad in Damaskus wolle er am Dienstag erneut auf demokratische Reformen dringen. Einige Gegner würden die Protestbewegung in Syrien aber dazu ausnutzen, um einen gewaltsamen Regimewechsel zu erzwingen, was Russland ablehne, betonte Lawrow. Syrien zählt zu den wichtigsten Käufern russischer Waffen und lässt Russland einen Militärstützpunkt am Mittelmeer nutzen.
Auch China verteidigte seine Haltung in dem Konflikt. Das Veto bedeute nicht, dass die Volksrepublik dem Treiben in Syrien freien Lauf lasse, wie die Parteizeitung „Renmin Ribao“ in einem Kommentar schrieb. Im Gegensatz zu den Kritikern aus dem Westen würde China „verantwortungsvoll“ handeln. Die Resolution hätte nur weiteres Unheil hervorgerufen. Die Kampagnen in Libyen, Afghanistan und dem Irak zeigten die Schäden, die ein erzwungener Machtwechsel hervorrufe.
Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz räumte ein, dass die Möglichkeiten der Staatengemeinschaft, etwas gegen die Gewalt in Syrien zu unternehmen, sehr begrenzt seien. Wegen der besonderen geostrategischen Lage Syriens im Nahen Osten sei derzeit kein Land zu einem militärischen Eingreifen bereit, selbst wenn eine Resolution des Sicherheitsrat die Legitimation dafür schaffen würde. Ein möglicher nächster Schritt sei die Einrichtung einer Syrien-Kontaktgruppe, sagte Polenz im ZDF. Auf diesem Weg könnte die internationale Staatengemeinschaft ihre Beziehungen zur Opposition im Land festigen und die Protestbewegung auch logistisch unterstützen, etwa mit Kommunikationsmitteln wie Kameras, Satellitentelefonen oder Handys. Die Kontaktgruppe hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Scheitern der Syrien-Resolution ins Gespräch gebracht. Bundesaußenminister Guido Westerwelle unterstützt den Vorschlag.
Mit Material von dapd/rtr