Die mit vielen Hoffnungen verbundene Beobachtermission der Liga ist faktisch gescheitert; sie dürfte am 19. Januar ergebnislos beendet werden.
Hamburg. Angesichts der dramatischen Entwicklung in Syrien hat der Emir von Katar, Scheich Hamad Bin Chalifa al-Thani, als erster Führer eines arabischen Landes die Entsendung von Interventionstruppen gefordert. Die Staaten der Arabischen Liga sollten nun Soldaten nach Syrien in Marsch setzen, um das Blutvergießen zu beenden, sagte der Emir von Katar dem amerikanischen Fernsehsender CBS.
Die Lage in Syrien treibt derweil immer mehr in Richtung auf einen Bürgerkrieg. Die mit vielen Hoffnungen verbundene Beobachtermission der Liga ist faktisch gescheitert; sie dürfte am 19. Januar ergebnislos beendet werden.
Das Ziel der Arabischen Liga, das Regime des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad daran zu hindern, weiter mit brutaler Gewalt gegen seine politischen Gegner vorzugehen, wurde vollständig verfehlt. 165 Beobachter sollten die Selbstverpflichtung des Assad-Regimes - ein Ende der Gewalt gegen die Opposition, die Freilassung der Gefangenen und der Rückzug des Militärs aus den Städten - überwachen.
Nur eine Generalamnestie für "friedliche Demonstranten" und Deserteure wurde von Assad bislang gewährt; die Gewalt seitens der Armee hielt derweil an. Nach Schätzungen der Uno sind bereits an die 6000 Zivilisten ums Leben gekommen, darunter mindestens 200 Kinder.
Einer der Beobachter der Arabischen Liga, der Algerier Anwar Malek, war in der vergangenen Woche desillusioniert von seinem Posten zurückgetreten und hatte erklärt, die Mission gebe Assad nur politische Deckung, um ungestört weiter gegen die Opposition vorgehen zu können. "Die Mission ist bislang gescheitert", sagte Malek, "sie hat nichts erreicht." Der Chef der Mission, der sudanesische Generalleutnant Mohammed Ahmed al-Dhabi, steht zudem im Verdacht, die Gräueltaten der Assad-Truppen zu verharmlosen.
Al-Dhabi war einst Chef des berüchtigten militärischen Geheimdienstes des von einer Militärjunta beherrschten streng islamischen Sudan.
Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon hat Diktator Assad in aller Eindringlichkeit zu einer Beendigung der Gewalt aufgerufen. "Hören Sie auf, Ihr eigenes Volk zu töten!", rief Ban auf einer Konferenz in Beirut aus. Die Tage der Alleinherrscher und Familiendynastien im Nahen Osten seien vorbei.
Die "New York Times" berichtete, in der syrischen Opposition werde davon ausgegangen, dass der Bürgerkrieg bereits eingesetzt habe. Das Regime habe die Kontrolle über einige Regionen und in den Rebellenhochburgen Homs und Hama verloren. Am vergangenen Freitag hatte bereits der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, vor einem Bürgerkrieg gewarnt.
Das US-Blatt sprach von einem "sich hinziehenden, chaotischen und vielleicht nicht mehr verhandelbaren Konflikt". Ein libanesischer Politiker nannte das von Regimetruppen belagerte Homs "das Stalingrad der syrischen Revolution". Es gibt immer mehr Berichte über Gewalt zwischen den einzelnen Ethnien und Religionsgruppen in Syrien, die früher friedlich miteinander gelebt haben. Taxifahrer weigern sich, in manche Stadtteile zu fahren.
"Es gibt absolut kein Anzeichen für einen Silberstreif", sagte ein westlicher Diplomat in Damaskus. "Es ist sogar noch finsterer als je zuvor. Und ich weiß nicht, wo das noch enden wird. Niemand weiß das."
Selbst in der Hauptstadt, die bislang eher als Oase des Friedens gegolten hatte, gebe es nun viele Checkpoints und immer wieder Gefechte. Der französische Syrien-Experte und Projektdirektor der einflussreichen nicht staatlichen Organisation International Crisis Group, Peter Harling, sagte: "In 15 Jahren habe ich in der Region noch nie etwas derart Bedrohliches Form annehmen sehen."
Die Rebellen erhielten indessen prominente Unterstützung. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Brigadegeneral Mostafa Ahmed al-Sheik, bislang stellvertretender Kommandeur der Armee in Nordsyrien, vor zwei Wochen zu der von Deserteuren gegründeten Freien Syrischen Armee übergelaufen. Tausende sollen bereits in ihren Reihen dienen. Sie halten sich in türkischen Lagern an der Grenze zu Syrien auf.
Dutzende syrische Panzer waren am Wochenende um die Ortschaft Al-Sabadani im Umland von Damaskus in Stellung gegangen, Strom und Wasser wurden den Bewohnern abgestellt. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete indessen von einem Anschlag "bewaffneter Terroristen" auf einen Treibstoffzug nahe der Grenze zur Türkei. Dabei seien drei Menschen ums Leben gekommen. An der Grenze zum Libanon töteten syrische Regierungstruppen zahlreiche Oppositionelle, auch ein Kind starb. Ein Libanese jenseits der Grenze wurde von einem Querschläger getötet.