Korruption
Rund 50 Millionen Euro soll Siemens in zwölf Jahren unter griechischen Politikern und Staatsbediensteten verteilt haben. Damit war gesichert, dass wichtige Vorhaben des Konzerns in dem Land wie geschmiert laufen. Das mag zwar ein Extrembeispiel sein, aber es kennzeichnet die Mentalität: Wer etwas erreichen will, muss bezahlen. Am besten übergibt man einen Fakelaki, also einen "kleinen Umschlag" mit Bargeld. Selbst Ärzte erwarten Bares, das natürlich nicht versteuert wird. Obwohl sie offiziell nur rund 2000 bis 3000 Euro brutto im Monat verdienen, erreichen sie so fünfstellige Monatseinkommen. Auch bei der Suche nach einem Arbeitsplatz ist der Umschlag hilfreich. Und die Steuerprüfer, die die kleinen Betriebe in Athen kontrollieren, lassen sich nicht mehr mit einem T-Shirt oder Ähnlichem abspeisen. Transparency International hat eine Untersuchung vorgelegt, nach der griechische Privathaushalte 2009 mehr als 780 Millionen Euro für Bestechung ausgegeben haben. Das entspricht in etwa 71 Euro pro Kopf.
Steuerflucht
Mit knapp über 16 000 Euro versteuertem Jahreseinkommen gehören Rentner zu den Besserverdienenden - weil sie ihr Geld vom Staat bekommen und deshalb kaum Chancen haben, das Finanzamt zu betrügen. Steuersparen ist Volkssport in dem Krisenland - spätestens seit sich dort die Ansicht durchgesetzt hat, der Staat würde sowieso nichts für seine Bürger tun. "Warum sollen wir dann dem Staat etwas bezahlen?", bekommt man zu hören, wenn man einen Griechen zu seinem Verhältnis zum Fiskus befragt. Getrickst wird überall, selbst Taxifahrer geben nur ungern Quittungen. Wenn sie einmal erwischt werden, retten oft kleine Geschenke vor einem Prozess. Dieses Verhalten, über Jahre offenbar geduldet, hat zur aktuellen Krise geführt. Jetzt will die Regierung bei Korruption und Steuerflucht stärker durchgreifen - und öffnet damit noch ein weiteres Fass voller Probleme. Denn die Bevölkerung findet das natürlich nicht gut. Schon werden Generalstreiks angedroht. Sie könnten Griechenland lahmlegen.
Vollkasko-Mentalität
Griechenland hat bei rund elf Millionen Einwohnern 900 000 Beamte. Da es so viele sind und eigentlich wenig zu tun ist, haben viele einen Nebenjob und bessern damit ihr Gehalt auf. Oft gelingt ihnen dies sogar während der Arbeitszeit. Da ist der Verwaltungsangestellte einige Stunden beim Bäcker, verkauft Brötchen - und keiner merkt es. Oder der Finanzbeamte berät kleine Firmen - und findet in deren Auftrag neue Steuerstopflöcher. Ein weiteres Kuriosum der Vollkasko-Mentalität in dem Land sind noch relativ junge, gesunde Mütter, die schon Rente beziehen. Sie haben vorher im Staatsdienst gearbeitet und ein Kind bekommen. Das war die beste Voraussetzung für den Ruhestand. Denn dann konnte man als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nach 15 Jahren Arbeit und eigenem Nachwuchs in Rente gehen. Auch wenn es dann nur einige Hundert Euro sind, das restliche Geld zum Lebensunterhalt kann man sich dazuverdienen. Regulär gehen die Griechen mit 61 Jahren in Rente - vier Jahre früher als die Deutschen.
Trickser-Staat
Tricksen können in Griechenland nicht nur die Bürger, sondern auch der Staat. Mit falschen Zahlen erschlich sich das Land im Jahr 2000 den Euro, der die weiche Landeswährung Drachme ablöste. Auch der geschätzte Wert der Schwarzarbeit wurde damals in die offiziellen Zahlen mit eingerechnet. Mit dem stabilen Gemeinschaftsgeld im Rücken konnten die chronisch klammen Griechen plötzlich viel einfacher und günstiger Schulden aufnehmen. Hinzu kamen noch Beihilfen. Allein von 2004 bis 2008 überwies die EU gut 35 Milliarden Euro nach Athen. "Das waren rund fünf Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung - und das jedes Jahr", rechnet der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer vor. Allein sieben Milliarden davon bezahlte der deutsche Steuerzahler.
Mittlerweile beläuft sich das Defizit des Staates bereits auf rund 300 Milliarden Euro. Inzwischen ist der Ruf des Landes schon so geschädigt, dass eine Geldaufnahme am Kapitalmarkt erschwert ist.
In Familienhand
So eine Situation gibt es in Westeuropa nicht noch einmal. Seit etwa 50 Jahren wird das Land fast ununterbrochen von zwei wohlhabenden Familienclans regiert. Mal ist ein Papandreou Ministerpräsident, mal ein Karamanlis. Ein solches - an Feudalherrschaft grenzen-des - System ermöglicht nicht nur Korruption und Vetternwirtschaft, es grenzt auch jene aus, die neue Ideen entwickeln und einen frischen Geist in die Regierung bringen könnten. Das Parlament, das die Regierung kontrollieren müsste, hat sich scheinbar schon mit den beiden Clans abgefunden. Und regiert wird manchmal wie im Kinderzimmer. Der letzte Karamanlis ist im Oktober 2009 mitten in der Staatskrise zurückgetreten, weil er auch kein Rezept gegen die Pleite vorweisen musste. Nachfolger wurde natürlich ein Papandreou. Dieser gilt sogar als integer - eine unter griechischen Politikern seltene Tugend. Außerdem verkündet er nicht nur Sparbeschlüsse, er lebt die Bescheidenheit auch vor: Als Dienstwagen fährt er einen kleinen Toyota.