Moskau/Hamburg. Nach dem tödlichen Flugzeugabsturz des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski verdichten sich die Hinweise auf menschliches Versagen als Unglücksursache. Die russische Staatsanwaltschaft schließt eine technische Ursache für den Absturz des Flugzeugs aus.
Die Maschine vom Typ Tupolew TU-154 sei in einwandfreiem Zustand gewesen, sagte Chefermittler Alexander Bastrykin. Nach Auswertung des Stimmenrekorders im Flugzeug gebe es in den aufgezeichneten Gesprächen zwischen dem Piloten und dem Tower keine Hinweise auf technische Probleme. Vielmehr sei der Pilot von Kaczynskis Maschine mehrfach auf die schlechte Wetterlage und den Nebel hingewiesen worden und habe trotzdem vier Landeversuche unternommen, sagte Bastrykin.
Der Pilot der polnischen Regierungsmaschine habe beim Anflug auf den russischen Flughafen Smolensk mehrere Befehle der Fluglotsen ignoriert, die Landung abzubrechen und einen anderen Flughafen anzusteuern, sagte der Vize-Chef der russischen Luftwaffe, Alexander Aljoschin, der Agentur Interfax zufolge. "Bei einer Entfernung von 2,5 Kilometern stellte der Leiter der Luftraumüberwachung fest, dass die Crew die Geschwindigkeit im Senkflug beschleunigte", sagte Aljoschin. Der Tower habe daraufhin den Befehl gegeben, das Flugzeug in eine horizontale Position zu bringen. Als die Crew diesem Befehl nicht gefolgt sei, hätten die Fluglotsen dem Piloten mehrmals angeordnet, einen anderen Flughafen anzusteuern. "Die Crew setzte den Landeanflug trotzdem fort. Unglücklicherweise endete dies in einer Tragödie", sagte Aljoschin.
Trotz dieser Hinweise auf menschliches Versagen als Unglücksursache wird in Polen schon länger über den Zustand der Regierungsflotte diskutiert. Für den Kauf modernerer Maschinen fehlte aber bisher das Geld. Die jetzt abgestürzte Maschine des polnischen Präsidenten war mindestens 20 Jahre alt. Die Tupolew TU-154 ist ein dreistrahliges Düsenflugzeug, deren Geschichte weit in Sowjetzeiten zurückreicht. Ihre Reichweite beträgt 4000 Kilometer. Nach wie vor ist die Maschine in Russland, anderen früheren Sowjetrepubliken und ehemaligen Ostblockstaaten weit verbreitet und wird vor allem für Mittelstrecken eingesetzt. Zwischen 1968 und 2006 wurden etwa 1000 Maschinen verschiedener Varianten gebaut. Sie ähneln in Design und Bauweise der Boeing 727. Dieses Flugzeug aus US-Produktion gilt als einer der erfolgreichsten Passagierjets der Welt, ist allerdings mittlerweile veraltet. Die modernste Variante, die TU-154M, absolvierte Anfang der 80er-Jahre den Erstflug. Laut Aviation Safety Network gab es weltweit 66 Flugzeugunglücke mit Maschinen des Typs Tupolew TU-154, davon sechs in den vergangenen fünf Jahren.