Im südpolnischen Krakau soll das polnische Präsidentenpaar in einem Sarkophag in der Gruft der Wawel-Kathedrale die letzte Ruhe finden.
Krakau. Tausende Menschen haben sich am Sonntag in Krakau versammelt, um Abschied von dem tödlich verunglückten polnischen Präsidentenpaar Lech und Maria Kaczynski zunehmen. In der südpolnischen Metropole soll das Paar in einem Sarkophag in der Gruft der Wawel-Kathedrale an der Seite von polnischen Königen und Nationalhelden die letzte Ruhe finden. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sagten wegen der Sperrung von weiten Teilen des europäischen Luftraums ihre Teilnahme am Begräbnis ab, darunter US- Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Unter strahlend blauem Himmel räumten viele Trauernde die Straßen von Krakau, um dem Präsidentenpaar noch vor dem Begräbnis die letzte Ehre zu erweisen. Die Särge des Staatsoberhauptes und der First Lady wurden am Vormittag vom Krakauer Flughafen Balice in die Marienkirche am Hauptmarkt der Altstadt gebracht. In dem mittelalterlichen Gotteshaus soll am frühen Nachmittag im Beisein ausländischer Gäste die Trauermesse für die Toten der Flugkatastrophe gelesen werden.
Als der Konvoi durch die engen Gassen fuhr, spendeten die Wartenden Beifall und warfen gelbe und rote Nelken vor die Leichenwagen, die Lieblingsblumen von Maria. Unter Glockengeläut trugen Soldaten die Särge vor den Altar. Der Krakauer Hauptmarkt, der größte mittelalterliche Markt Europas, hatte sich bereits seit dem Morgen mit tausenden Menschen gefüllt. Pfadfinder, Schulkinder, Gewerkschafter, Bergleute und Studenten sangen, beteten und schwenkten die weiß-roten Fahnen mit dem „Solidarnosc“-Emblem“. Lech Kaczynski engagierte sich den 1970er Jahren in der demokratischen Freiheitsbewegung und war während des kommunistischen Regimes mehrmals verhaftet worden. „Gott, Ehre und Vaterland“, stand auf vielen Transparenten in Anspielung auf die national-konservative Weltanschauung Kaczynskis.
Nach US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel sagten auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der ständige Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, ab. Der russische Präsident Dmitri Medwedew trat dagegen die Reise nach Krakau an. In letzter Zeit war es zur polnisch-russischen Annäherung gekommen.
Der polnische Filmregisseur Andrzej Wajda lobte das Verhalten der Russen nach dem Flugzeugunglück von Smolensk, bei dem Staatspräsident Lech Kaczynski (60) zusammen mit 95 anderen am Samstag vor einer Woche ums Leben gekommen war. „Ich persönlich empfinde das Mitgefühl der Russen als echt. Ich habe den Eindruck, dass von der russischen Seite spürbar das Bedürfnis besteht, auf Polen zuzugehen“, sagte Wajda dem Nachrichtenmagazin „Focus“.
Merkel, die nach tagelanger Irrfahrt auf dem Rückweg aus den USA am Sonntag auf dem Landweg von Bozen nach Berlin unterwegs war, habe Polens Außenminister Radoslaw Sikorski ihre Absage telefonisch „mit dem Ausdruck größten Bedauerns“ mitgeteilt, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Dieser habe „vollstes Verständnis“ geäußert. Bundespräsident Horst Köhler und Bundesaußenminister Guido Westerwelle reisten per Hubschrauber an.
Wie der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, am Sonnabend (Ortszeit) in Washington bekanntgab, habe Obama der polnischen Regierung sein Bedauern über diese Entscheidung mitgeteilt und noch einmal sein Beileid ausgesprochen. Insgesamt hätten bisher zahlreiche Staaten für Sonntag abgesagt, sagte ein Sprecher des polnischen Außenministeriums am Samstagabend. Auch Schwedens König Carl Gustav, dem spanischen Monarchen Juan Carlos und dem britischen Thronfolger Prinz Charles machte die Aschewolke einen Strich durch ihre Reisepläne. Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero blieb ebenfalls fern. Ursprünglich sollten zur Beisetzung des Präsidentenpaares Vertreter von 98 Staaten kommen. Der Luftraum über Polen ist seit Freitag wegen der Vulkanwolke für Passagierflugzeuge gesperrt.
Auch in der Nacht kamen tausende Menschen in die Warschauer Johannes-Kathedrale, um den Verunglückten die letzte Ehre zu erweisen. Hunderttausende Menschen strömten am Samstag ins Warschauer Zentrum, um der Toten des Flugzeugabsturzes zu gedenken. Ministerpräsident Donald Tusk nannte das Unglück die größte Tragödie der polnischen Nachkriegsgeschichte.
Bei den Feierlichkeiten in Warschau standen Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw und Marta, die Tochter des verunglückten Präsidentenpaares, gefasst vor einer Bühne, auf der ein Altar aufgebaut war. Bereits am Morgen um 8.56 Uhr waren zwei Minuten lang die Glocken und Alarmsirenen ertönten – genau zu der Zeit, als die Maschine bei Smolensk in Westrussland bei dichtem Nebel abgestürzt war. Es wird vermutet, das ein Pilotenfehler die Ursache war.
Die Delegation war auf dem Weg zu Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Hinrichtungen in Katyn gewesen. Der sowjetische Geheimdienst hatte damals 22000 polnische Offiziere und andere Mitglieder der Führungselite rund um Katyn umgebracht.
Dass Lech Kaczynski auf dem Burgberg Wawel, der ehemaligen Königsresidenz in Krakau und einem der bedeutendsten nationalen Symbole, zur letzten Ruhe gebettet wird, ist nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, dass der Präsident nicht neben Königen und Nationalhelden beerdigt werden sollte. Befürworter betonen, er sei „im Dienst gefallen“.