Britische Regierung strebt ein “normales“ Verhältnis an. Die “besonderen Beziehungen“ sollen beendet werden.
Hamburg/London. Es soll eine der allerersten Amtshandlungen von US-Präsident Barack Obama gewesen sein: Er warf die Büste des britischen Kriegspremiers Winston Churchill aus dem prestigeträchtigen Oval Office im Weißen Haus. Die Geste, in London mit steifer Oberlippe zur Kenntnis genommen, war offenbar weit mehr als ein innenarchitektonisches Detail.
Winston Churchill, dessen Mutter Amerikanerin war, gilt immerhin als Vater des Ausdrucks von der "special relationship", der historisch einmaligen Sonderbeziehung zwischen Großbritannien und seiner ihm weit über den Kopf gewachsenen ehemaligen Kolonie Amerika. Diese enge Beziehung bewährte sich vor allem im Zweiten Weltkrieg, überstand den Kalten Krieg und manifestierte sich noch einmal eindrucksvoll im Feldzug gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein. Dies ging so weit, dass der damalige britische Premier Tony Blair weltweit und nicht zuletzt im eigenen Land als "Pudel" seines Freundes, des seinerzeitigen US-Präsidenten George W. Bush, karikiert wurde. Doch in jüngster Zeit hatte es sichtbare Risse im Verhältnis gegeben. Britische Generale kritisierten das arrogant-dominante Benehmen ihrer amerikanischen Kollegen, britische Politiker beklagten, dass Washington sehr wenig Gegenleistung für die Kriegsbeteiligung im Irak und in Afghanistan biete.
Nun hat ein britischer Parlamentsausschuss offiziell das Ende der "special relationship" eingeläutet. Dabei war sie kürzlich noch vom US-Senat als "Eckstein der weltweiten Stabilität" gewürdigt worden.
Die 14 Parlamentarier erklärten, der von Winston Churchill vor mehr als 60 Jahren geprägte Ausdruck spiegele nicht mehr die Realitäten wider und müsse daher fallen gelassen werden. Zur Beschreibung der britisch-amerikanischen Beziehungen sei der Begriff mittlerweile "irreführend" und sollte vermieden werden, hieß es in einem Bericht des Außenpolitischen Ausschusses des Unterhauses. Großbritannien verliere seinen Einfluss auf Amerika und solle im Umgang mit den USA künftig "weniger ehrerbietig und mehr willens sein, Nein zu sagen, wenn unsere Interessen auseinanderklaffen".
"Wir müssen zwar in der Öffentlichkeit darauf antworten, wenn die Amerikaner uns den Begriff an den Kopf werfen, aber wir betrachten die Beziehung nicht als ,special'", sagte der frühere britische Uno-Botschafter Jeremy Greenstock.
Noch unverblümter drückte sich Sir Michael Manning aus, ehemals Tony Blairs außenpolitischer Chef-Berater und später Botschafter in Washington. Barack Obama sei als in Hawaii geborener und in Indonesien aufgewachsener Sohn eines Kenianers "weniger sentimental" bezüglich der Beziehungen zu Großbritannien. "Wir haben da jetzt einen Demokraten, der nicht vertraut mit uns ist", sagte Manning offen, der auch vor dem Parlamentsausschuss sprach, daher sollten die Briten im Umgang mit den USA "spitze Ellenbogen" ausfahren, wenn sie wollten, dass man sie noch wahrnehme.
Auch der Vorsitzende des Ausschusses, Mike Gapes, empfahl einen härteren politischen Umgang mit den USA. Blairs Beflissenheit gegenüber Bush während des Irak-Krieges habe das britische Ansehen in der Welt beschädigt. Großbritannien wolle nicht länger als "unterwürfiger "Pudel" Amerikas wahrgenommen werden.
Der frühere Außenminister Douglas Hurd sagte vor dem Ausschuss, die "special relationship" funktioniere nur, wenn britische Premiers im Umgang mit Washington die Rolle eines Juniorpartners akzeptierten. Ein solcher Juniorpartner verfüge zwar nicht über Macht, habe aber durchaus das Recht, die richtigen Fragen zu stellen und auf vernünftige Antworten zu bestehen.
Manning meinte dazu, er könne die Idee einer Juniorpartnerschaft der Briten gar nicht leiden, "denn das hört sich an, als seien wir in einer untergeordneten Rolle festgezurrt". Ihm ginge es vielmehr um echte Partnerschaft.
Die Londoner Zeitung "The Guardian" bezeichnete die Äußerungen der britischen Politiker als einige der "gröbsten", die je in den bilateralen Beziehungen benutzt worden seien.