Uno-Experten haben einen Millionen-Skandal enthüllt: Die Hälfte der Hilfslieferungen für Somalia versickerte in dunklen Kanälen.
Hamburg/New York. Ursprünglich hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nur Verletzungen des Uno-Waffenembargos gegen den Krisenstaat Somalia untersuchen wollen. Doch je tiefer die damit beauftragten Experten in die somalischen Vorgänge eintauchten, desto ungeheuerlicher wurden ihre Erkenntnisse. Was der bis jetzt noch nicht veröffentlichte Report des Sicherheitsrats, in den Journalisten der "New York Times" Einblick bekamen, enthüllt, ist ein Skandal mit internationalen Auswirkungen.
Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Nahrungsmittelhilfe für Somalia, die im vergangenen Jahr einen Wert von fast einer halben Milliarde Dollar umfasste, niemals bei den Millionen Hungernden ankommt - sondern von korrupten Uno-Offiziellen und Vertragsfirmen unterschlagen sowie in die Hände von radikalen Islamisten weitergeleitet wird. Die Untersuchungskommission schlägt vor, dass das gesamte System der Nahrungsmittelverteilung vollkommen zerschlagen und neu aufgebaut werden muss, um Kartelle des organisierten Verbrechens in Somalia zu umgehen. Ferner werden die Vorgänge als derart gravierend eingestuft, dass Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon aufgefordert wird, eine spezielle Kommission ins Leben zu rufen, um die Aktivitäten des Welternährungsprogramms (WFP) in Somalia unter die Lupe zu nehmen.
Die Somalia-Abteilung des WFP, eine Uno-Organisation mit Sitz in Rom, gilt dem Bericht nach als besonders korrupt. In dem Report des höchsten Uno-Gremiums heißt es: "Einige somalische Vertragsfirmen der Hilfsorganisationen haben ein Kartell gebildet und sind zu mächtigen Drahtziehern geworden. Einige von ihnen leiten ihre Profite - oder die Nahrungsmittel selber - direkt bewaffneten Gruppen zu."
Doch die Kommission ist noch weiteren Skandalen auf die Spur gekommen. So arbeiten dem Bericht nach somalische Behörden direkt mit jenen Piraten zusammen, die Schiffe am Horn von Afrika in ihre Gewalt bringen. Und obendrein verkauften somalische Minister diplomatische Visa für Reisen nach Europa an die höchsten Bieter - darunter wohl Piraten und islamistische Rebellen. "Somalische Minister, Parlamentsmitglieder, Diplomaten und 'freie Makler' haben den Zugang zu Visa in eine wachsende Industrie umgewandelt, der nur noch die Piraterie gleichkommt", heißt es in dem Uno-Bericht. Die Reisedokumente würden für 10 000 bis 15 000 Dollar verkauft. Viele von den Reisenden tauchten in Europa unter.
Mehrere der Autoren des Berichts haben Morddrohungen erhalten; die Vereinten Nationen haben sie inzwischen aus Sicherheitsgründen von Kenia nach New York verlegt.
Derzeit bereitet das somalische Militär eine Großoffensive zur Rückeroberung der Hauptstadt Mogadischu aus der Hand islamistischer Aufständischer vor, die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündet sind.
Die USA leisten dabei Militärhilfe. Doch der Uno-Report kommt auch in dieser Hinsicht zu einem vernichtenden Urteil. Die somalischen Sicherheitskräfte seien weiterhin "ineffektiv, unorganisiert und korrupt - eine Anhäufung von unabhängigen Milizen, die hohen Regierungsbeamten und Offizieren ergeben sind, die vom Geschäft des Krieges profitieren".