Paris. Wenn es um Frankreichs Atomindustrie geht, zeigt sich Präsident Nicolas Sarkozy gerne in vorderster Front. Seit gestern veranstaltet er in Paris eine internationale Konferenz zur zivilen Nutzung von Atomenergie mit 65 Staaten und internationalen Organisationen. Eingeladen wurden nicht nur zahlreiche Schwellenländer, sondern auch einst international geächtete Staaten wie Syrien, denen Sarkozy jetzt Atomtechnik anbietet. Er will den Bau von Atomkraftwerken sogar zum international anerkannten Entwicklungsprojekt erklären.
Sarkozy wirbt seit seinem Amtsantritt 2007 für die Weitergabe der Atomtechnologie und tritt als Interessenvertreter für die französische Atomwirtschaft auf - ob in China, Indien oder Nahost. Paris sei "überzeugt", dass die Atomtechnik "ein entscheidendes Element für die Berücksichtigung der Umweltprobleme und für eine bessere Verteilung der Reichtümer auf dem Planeten ist", sagt Sarkozy. Er verstehe deshalb nicht, warum für Institute wie die Weltbank oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) die Unterstützung beim Bau von Kernkraftwerken "geächtet" sei, sagte Sarkozy. Die Entwicklungsbanken sollten sich "entschlossen bei der Finanzierung engagieren".
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Yukiya Amano, sagte, die Stromerzeugung aus Kernkraft könne "einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung" leisten und "den Klimawandel abschwächen". Der Zugang dürfe deshalb nicht "exklusives Privileg der reichen Länder" bleiben. Die IAEA erwarte, dass bis 2015 "zehn bis 25 neue Länder ihr erstes Atomkraftwerk in Betrieb nehmen". Frankreich ist weltweit einer der größten Nutzer von Atomenergie. Die 58 Nuklearkraftwerke des Landes produzieren 80 Prozent des Stroms. Französische Firmen wollen ihre Technik auch ins Ausland verkaufen. Tatsächlich geht es um ein Riesengeschäft. Nach Angaben des Weltnuklearverbandes (WNA) dürften bis 2030 weltweit mehr als 450 Atomreaktoren gebaut werden - ein Markt, der Hunderten Milliarden Dollar entspricht.
Allerdings streiten der staatliche Atomkonzern Areva und der Stromversorger EDF, der alle französischen Atomreaktoren betreibt, offen um die Vorherrschaft im Exportgeschäft. Im Dezember hatten EDF und Areva vergeblich versucht, bei einem 40 Milliarden Dollar schweren Projekt in Abu Dhabi zum Zuge zu kommen. Den Zuschlag bekam ein südkoreanisches Konsortium, das billiger anbot.
Seitdem stellt sich die französische Atomwirtschaft die Frage, ob sie mit dem neuartigen Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) in Schwellenländern überhaupt wettbewerbsfähig sein kann.
"Im Prinzip haben wir dasselbe erlebt wie mit der (Überschallmaschine) Concorde", sagte ein EDF-Vertreter. "Wir haben ein prächtiges Technologieprojekt, für das es aber keine oder zu wenige Kunden gibt, weil es zu teuer ist." Da dies vor allem an hohen Sicherheitsstandards liegt, will Sarkozy versuchen, die internationalen Standards für Atomkraftwerke anzuheben. Er verlangte von der IAEA, Reaktoren für Atomkraftwerke fortan nach ihrer Sicherheit einzustufen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte in Paris, dass das Prinzip der Nichtweiterverbreitung von Atomtechnologie zur militärischen Nutzung für die EU nicht verhandelbar sei. Die zum Teil als zivile Projekte getarnten Atomprogramme Irans und Nordkoreas stellten "ein Sicherheitsrisiko für die globale Gemeinschaft" dar.