Internationale Truppen haben eine Großoffensive gegen eine Taliban-Region im Süden begonnen und sind bisher kaum auf Widerstand gestoßen.
Kabul/Washington. Es ist die größte Offensive seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001: Im Süden Afghanistans sind 15 000 ausländische und afghanische Soldaten auf dem Vormarsch, umdie radikal- islamischen Aufständischen aus ihrer Hochburg Mardscha in der Provinz Helmand zu vertreiben. Nach ersten Angaben stießen die Soldaten bei der Großoffensive zunächst auf wenig Widerstand. Nach Angaben der internationalen Schutztruppe ISAF starben nach Beginn des Angriffs drei US-Soldaten - sie seien aber nicht direkt an dem Einsatz beteiligt gewesen.
Amerikanische Truppen meldeten am Vormittag erste Erfolge. So sei es einer kleinen Vorhut von 200 Mann gelungen, in Randgebiete von Mardscha vorzudringen, berichtete der US-Sender CNN. Die afghanischen und ausländischen Soldaten seien zu Fuß, in Lastwagen und mit Hubschraubern auf dem Vormarsch, sagte US-Armeesprecher Abraham Sipe. Die Taliban würden bislang „minimalen Widerstand“ leisten.
US-Militärs befürchteten aber, dass die Taliban das Gelände verminten. Die vorrückenden Truppen „gehen davon aus, dass Taliban-Kämpfer bis zum Tode kämpfen werden“, hieß es. Bereits vor Beginn der Offensive hatte der Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi gedroht, die Aufständischen würden Mardscha verteidigen und hätten rund um die gleichnamige Distrikthauptstadt Minen gelegt. In der Taliban-Hochburg verschanzen sich unterschiedlichen Angaben zufolge etwa 1000 Kämpfer. Die großen Nachrichtensender zeigten Bilder, wie US-Truppen mit schwerem Gerät vorrücken.
US-Präsident Barack Obama hatte für dieses Jahr eine massive Eskalation des seit Ende 2001 andauernden Krieges angekündigt und rund 30 000 zusätzliche US-Truppen in Marsch gesetzt. An der Operation „Muschtarak“ (“Gemeinsam“) sind Soldaten aus den USA, Großbritannien, Dänemark, Estland, Kanada sowie aus Afghanistan beteiligt.
US-Brigadegeneral Lawrence Nicholson sagte laut „Washington Post“: „Wir werden Mardscha den Taliban wegnehmen.“ Das könne „zu einer grundlegenden Veränderung in Helmand führen“ und möglicherweise in ganz Afghanistan. Der britische Brigadegeneral James Cowan sagte, die Operation werde den Anfang vom Ende des Aufstands markieren.
Außer im Distrikt Mardscha wurden auch Kämpfe aus dem ebenfalls in Helmand gelegenen Distrikt Nad Ali gemeldet. Hier seien tausende britische und afghanische Soldaten im Einsatz.
Die Truppen würden mit „überwältigender Gewalt“ gegen jene Aufständischen vorgehen, die das Angebot der Regierung nicht annehmen wollten, sich zu reintegrieren und sich in den politischen Prozess einzugliedern, teilte die ISAF weiter mit. Präsident Hamid Karsai rief alle Taliban-Kämpfer dazu auf, die Gelegenheit zu nutzen, um der Gewalt abzuschwören und sich in die Gesellschaft einzugliedern. Er forderte die Truppen zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Die Soldaten müssten „absolute Vorsicht“ walten lassen und vermeiden,dass Unbeteiligte zu Schaden kommen, teilte das Büro des Präsidenten mit.
Vor Beginn der seit Tagen angekündigten Offensive waren zahlreiche Zivilisten aus Mardscha und der Umgebung in die Provinzhauptstadt Laschkarga geflohen. Mardscha war bisher unter vollständiger Kontrolle der Taliban und Afghanistans wichtigstes Handelszentrum für Rohopium. Die Taliban finanzieren sich auch mit dem Drogenhandel.
Der Bezirk Mardscha in der südafghanischen Provinz Helmand ist vollständig in der Gewalt der radikal-islamischen Taliban. In dem Gebiet leben mehr als 120 000 Menschen, allein die Einwohnerzahl der gleichnamigen Bezirkshauptstadt Mardscha wird auf rund 80 000 geschätzt.