Hamburg/London. Die Bundesregierung wird das Mandat für den Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen über Afghanistan nicht verlängern. "Wir werden zunächst auf eine Neumandatierung von Nato-Awacs verzichten", erklärte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gestern in Berlin. Die fliegenden Radarsysteme sind wegen fehlender Überfluggenehmigungen von Aserbaidschan und Turkmenistan bislang noch nicht zum Einsatz gekommen. Sie sollten von der Türkei aus den Luftraum in Afghanistan überwachen.
Angesichts der offensichtlichen Kriegsmüdigkeit der europäischen Nato-Verbündeten hat der Generalsekretär der Atlantischen Allianz die Nato noch einmal eindringlich um die Entsendung von Soldaten und Ausbildern für Afghanistan geworben. "Wir bleiben in Afghanistan, bis wir unseren Job erledigt haben. Aber das ist natürlich nicht für immer", sagte der Däne Anders Fogh Rasmussen gestern. "Wenn wir weggehen und Afghanistan den Rücken kehren, wäre al-Qaida blitzartig zurück", warnte er vor der parlamentarischen Versammlung der Allianz im schottischen Edinburgh.
Der Nato-Generalsekretär bekräftigte noch einmal, was auch Guttenberg bereits am Vortag angedeutet hatte. "Ich bin überzeugt, dass wir im nächsten Jahr damit beginnen können und sollten, mehr Führungsverantwortung für die Sicherheit an afghanische Truppen zu übergeben", sagte der Däne. Das sollte die internationalen Truppen dann allmählich in die Lage versetzen, nicht mehr wie bisher als Kampftruppe aufzutreten, sondern nur noch Unterstützungsaufgaben wahrzunehmen. Guttenberg hatte gesagt, Deutschland erwäge, ab 2010 die ersten Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan abzuziehen, sofern die Sicherheitslage dies gestatte.
Der britische Premierminister Gordon Brown hatte vorgeschlagen, für Anfang 2010 eine internationale Afghanistan-Konferenz einzuberufen. Anders Fogh Rasmussen nannte dieses Vorhaben in Edinburgh "realistisch und machbar". Brown will zunächst weitere 500 britische Soldaten nach Afghanistan entsenden, allerdings geht die Londoner Regierung zugleich eigene Wege, um den Einsatz am Hindukusch möglichst bald beenden zu können. Brown, dem im nächsten Jahr eine Parlamentswahl bevorsteht, möchte die ersten Distrikte noch im Wahljahr an die afghanische Armee übergeben können.
Wie die "Times" in ihrer Online-Ausgabe berichtete, sehen neue Richtlinien für die britischen Truppen in Afghanistan vor, die radikalislamischen Taliban mit Geld und Gold zu Wohlverhalten zu bewegen. Selbst Aufständische "mit Blut an den Händen" sollten mit Geld und Gesprächen "gewonnen werden".
Die neuen Richtlinien stellen nach dem Urteil der "Times" ein "strategisches Umdenken" dar, nachdem die Nato jahrelang vergeblich versucht habe, die Taliban zu besiegen. Zugleich sei das neue Handbuch das Eingeständnis, dass die im Nordirland-Konflikt bewährte Strategie zur Bekämpfung von Aufständen nun obsolet sei.
Generalmajor Paul Newton erklärte: "Die beste Waffe gegen Aufstände ist, nicht zu schießen. Mit anderen Worten, setze Beutel mit Gold ein, um kurzfristig die Sicherheitsdynamik zu verändern." Der frühere Offizier und Tory-Abgeordnete für Gravesham in Kent, Adam Holloway, sagte dazu, die Geld-Strategie habe vielleicht noch 2006 funktionieren können. Aber jetzt sei es zu spät dafür. "Das ist, als wolle man den Stall verriegeln, nachdem das Pferd abgehauen ist."