Nur ein kleiner Teil der Chinesen hat seinen Appell für “universelle Rechte“ im Fernsehen verfolgen können.
Hamburg/Shanghai/Peking. Mit diesem Konfliktpunkt auf der amerikanisch-chinesischen Tagesordnung hatte niemand gerechnet: die Schreibweise des hohen Gastes im Reich der Mitte. Das offizielle China hatte sich frühzeitig auf die Transkription "Aobama" festgelegt - wobei der chinesische Buchstabe "ao" so viel wie "mysteriös" bedeutet. Die Entourage des US-Präsidenten bevorzugte hingegen "Oubama" und betrachtete die in China verwendeten Vornamens-Variationen wie "Balake" und Beilake" mit einigem Argwohn.
Ansonsten war man beim ersten Besuch von Barack Obama um Harmonie bemüht; selbst angesichts von Minenfeldern wie Menschenrechte, Handelsbeziehungen und Klimawandel.
In Shanghai konnte der US-Präsident vor 520 sorgfältig ausgesuchten, und von westlichen Journalisten als "handzahm" empfundenen Studenten im Museum für Wissenschaft und Technologie seine Sicht einer freien Informationsgesellschaft darlegen. Obama wandte sich gegen Zensur im Internet und sprach sich für Werte wie Meinungs- und Religionsfreiheit aus. Dies seien nämlich universelle Rechte, die für alle Menschen gelten sollen, einerlei ob in China, in den USA oder sonst wo. Bei unzensiertem Informationsfluss könnten Bürger eines Landes sogar die eigene Regierung zur Verantwortung ziehen, sagte Obama. Es sei "eine Quelle der Stärke in einer Demokratie". "Ich habe viele Kritiker in den USA, die alles Mögliche über mich sagen können", fügte der Präsident hinzu. Sich damit auseinanderzusetzen mache ihn nur zu einem besseren Führer, "denn es zwingt mich, Dinge zu hören, die ich eigentlich nicht hören will".
Die chinesischen Beamten werden diese Enthüllung mit einiger Säuernis zur Kenntnis genommen haben; sie hatten prophylaktisch nur eine lokale Übertragung der Veranstaltung zugelassen - und dies auch nur nach zähen, elfstündigen Verhandlungen mit der US-Delegation.
Für Verwirrung nicht nur bei den chinesischen Studenten sorgte Obama mit dem Eingeständnis, er habe den Kurzmitteilungsdienst Twitter "noch nie benutzt". Dazu seien "seine Daumen zu ungeschickt". Hatte er doch mit dem BlackBerry-Handy seinen ganzen Wahlkampf gesteuert. Das von ihm heiß geliebte Teil durfte er nur nach aufwendiger Sicherheitsumrüstung zum "BarackBerry" behalten. In China sind Twitter und Facebook allerdings seit Monaten gesperrt.
Obama betonte, die USA wollten den Aufstieg Chinas, dieses "majestätischen Landes", nicht eindämmen. Auch sei die "Auffassung, dass wir Gegner sein müssen", nicht vorherbestimmt. Gute Beziehungen zwischen Peking und Washington könnten zu einer "glücklicheren und friedlicheren Welt führen". Entsprechend diesem Vorsatz vermied Obama in Shanghai auch Reizthemen wie Tibet.
Nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums hatten die USA zwei Jahrzehnte als unangefochtene "Hypermacht" genossen. Diese Position wird zunehmend infrage gestellt durch ein China, dessen Wirtschaft und Militärmacht explosiv wachsen und dessen Staatskapitalismus die Weltfinanzkrise offenbar sogar besser abgewettert hat als das marktliberale US-Modell.
Die Rivalität der beiden Riesen - vor allem in Hinsicht auf die Macht im Pazifikraum - ist offensichtlich, doch die ökonomischen Verflechtungen und Anhängigkeiten beider Staaten sind derart groß, dass eine totale Konfrontation beide enorm beschädigen würde. Die USA sind bei den Chinesen mit 800 Milliarden Dollar Staatsanleihen in der Kreide und zahlen dafür pro Jahr 50 Milliarden Dollar Zinsen. Somit sitzt Peking bei wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen Washingtons unsichtbar mit am Tisch. Andererseits könnten die USA die Exportmacht China im Extremfall an den Rand des Zusammenbruchs und der sozialen Rebellion bringen, indem sie die amerikanischen Märkte komplett abschotten. Doch dies sind theoretische Gedankenspiele; ein konkreteres Ärgernis für die Amerikaner ist die Politik Pekings, den Kurs der Währung Yuan künstlich niedrig zu halten - was den chinesischen Export gewaltig ankurbelt. Das Handelsbilanz-Defizit betrug 2008 aufseiten der USA 268 Milliarden Dollar. Um diese Probleme geht es heute in Peking bei Obamas Gesprächen mit seinem Amtskollegen Hu Jintao.