Einer alten Legende nach konnte nur derjenige die Herrschaft über Persien erlangen, der den unauflösbar kunstvoll verschlungenen Gordischen Knoten aufzuknüpfen verstand. Bekanntlich schlug Alexander der Große das Teil kurzerhand mit seinem Schwert entzwei.
Auch im Falle des benachbarten Afghanistan wird die Herrschaftsfrage derzeit brachial gelöst, ohne sich der Mühe zu unterziehen, politisches Knotenwerk entwirren zu wollen. Hamid Karsai, 2001 vom Westen als Präsident Afghanistans eingesetzt, der Korruption ebenso verdächtig wie des Wahlbetrugs, wird also sein Amt weiterführen. Mit auffallender Eile setzten westliche Staaten ihre Glückwunschtelegramme ab. Die erneute Inthronisierung Karsais ist ein politischer Offenbarungseid angesichts der verfahrenen Lage am Hindukusch. Zu Recht hatte Gegenkandidat Abdullah die Entlassung des Chefs der umstrittenen Wahlkommission verlangt, der Karsai per Wahlfälschung einen Sieg in stalinistischer Manier hatte verschaffen wollen. Demoralisiert gab Abdullah nun auf. Mit Demokratie - jenem Prinzip also, für das der Westen doch gerade in Afghanistan wirbt - hat diese Wahl wenig zu tun.
Vor allem in Washington und bei der Uno bestand jedoch die Sorge, eine Stichwahl würde dem Land noch mehr politisches Chaos bescheren. Ein Sieg Karsais aufgrund immer noch massiv im Umlauf befindlicher gefälschter Wahlzettel hätte seinem Regime wohl den Rest von Renomme geraubt. Und ein Sieg Abdullahs hätte innenpolitische Kämpfe nach sich gezogen.
Es herrscht nun also weiterhin ein Mann, der im eigenen Land wenig Ansehen genießt und dessen Macht kaum über Kabul hinausreicht. Mit dieser Wahlfarce ist allenfalls etwas Zeit erkauft worden; von einer Lösung der afghanischen Krise ist der Westen weiter entfernt als je zuvor.