Zu früh. Er hat doch erst angefangen. Die Welt ist gespalten wegen der Nobelpreis-Vergabe. Selbst die Taliban meldeten sich.
Oslo/Hamburg. Die erste offizielle Reaktion auf den Friedensnobelpreis für den US-Präsidenten Barack Obama klang sehr schläfrig. „Der Präsident empfand Demut, vom Nobelkomitee ausgewählt worden zu sein“, sagte sei Sprecher Robert Gibbs. Er hatte Obama noch vor Sonnenaufgang mit der freudigen Nachricht geweckt. In Washington gehen wegen der Zeitverschiebung sechs Stunden später die Hähne zum Krähen.
Die Reaktionen in Oslo selbst fielen gemischt aus: „Zu früh!“ oder: „Naiv.“ Und: „Kann Obama das jetzt überhaupt gebrauchen?“ Dabei gehört es unter Norwegens führenden Politikern eigentlich zum guten Ton, dass die Entscheidung des heimischen Komitees gelobt wird. Aber dass Obama mit 48 Jahren und so früh im Amt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, brachte auch bei den Skandinaviern gewohnte Rituale ins Wanken. „Ich bin ziemlich baff. Er ist doch gerade erst am Anfang“, sagte die konservative Oppositionschefin Erna Solberg. Ihre Kollegin Siv Jensen von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei meinte: „Man kann doch nur erbrachte Leistungen für den Frieden auszeichnen und nicht Erwartungen oder Hoffnungen.“
Ein Blogger der Online-Ausgabe des angesehenen und konservative „Wall Street Journal“ reagierte äußerst kritisch: „Barack Obama gewinnt den Nobelpreis: Wofür?“ Das sei „grotesk“, hieß es auf der Internetseite. „Nun kann ein politischer Führer einen Friedenspreis gewinnen, weil er sagt, er wolle irgendwann in der Zukunft Frieden bringen.“
Amnesty Internationals norwegischer Sprecher John Egenæs kommentierte: „Schließlich trägt Obama auch Verantwortung für die Kriegsführung der USA in Afghanistan.“ Gedanken über den Nutzen für den Geehrten selbst machte sich der Friedensforscher Kristian Harpviken: „Daheim dürften die Kritiker des Präsidenten den Preis als unangemessene Einmischung von außen in die US-Innenpolitik ausnutzen.“
horbjörn Jagland, neuer Chef des Osloer Nobelkomitees, wischte all diese Stimmen mit dem trotzigen Hinweis auf ähnlich „frühzeitige“ Vergaben beiseite: Man habe ja 1971 Willy Brandt mit dessen Ostpolitik und 1990 Michail Gorbatschow bei der Perestroika auch schon ausgezeichnet, als der Ausgang dieser politischen Projekte noch völlig offen war. Brandt und Gorbatschow hatten aber nicht gerade erst angefangen wie der neue US-Präsident. Vielleicht erinnerte sich das Komitee bei der Entscheidung für Obama auch gerne an das gewaltige und anhaltende Echo der Preise für den Ex-Bundeskanzler aus der Bundesrepublik und den früheren sowjetischen Parteichef. Klar war, dass die Vergabe an Obama wie eine Bombe einschlagen und Reaktionen provozieren würde.
Die weiteren Reaktionen im Überblick: Bundespräsident Horst Köhler gratuliert und schrieb Obama: Er freue sich, dass das „Engagement für die friedliche Zusammenarbeit zwischen Staaten und Völkern durch die Verleihung dieser hohen Auszeichnung verdiente Anerkennung und Würdigung findet“. Obamas Name sei mit einer neuen, kooperativen Weltpolitik verbunden, die im fairen, partnerschaftlichen Miteinander den globalen Herausforderungen begegne, erklärte Köhler. Auf Deutschland könne Präsident Obama immer zählen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: Obama sei es in kurzer Zeit gelungen, „weltweit einen neuen Ton zu setzen und Gesprächsbereitschaft zu schaffen“. Er sollte von allen in seinem Bestreben unterstützt werden, „Frieden in der Welt noch besser möglich zu machen“. FDP-Chef Guido Westerwelle , der designierte deutsche Außenminister, ließ mitteilen: Es sei „weniger die Auszeichnung für bereits Erreichtes, sondern eine Rückenstärkung für eine Politik, die auf Kooperation statt Konfrontation und auf Abrüstung statt Aufrüstung setzt“.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sagte, das Nobel-Komitee zeichne Obamas „entschlossenes Engagement für die Menschenrechte (...) und für die Verbreitung des Friedens in der Welt“ aus. Damit werde dessen „Vision für Toleranz und Dialog zwischen den Staaten, Kulturen und Zivilisationen“ gewürdigt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, diese Auszeichnung für den Führer der größten Militärmacht der Welt widerspiegele die Hoffnungen, die sich an dessen Vision von einer atomwaffenfreien Welt knüpften.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) , Mohamed ElBaradei , selbst Friedensnobelpreisträger, sagte: Obama zeige außerordentliche Führungskraft, indem er sich für eine atomwaffenfreie Welt sowie für „Diplomatie, gegenseitigen Respekt und Dialog“ als beste Mittel zur Konfliktbewältigung einsetze.
Israels Präsident Schimon Peres schickte Obama ein Glückwunschschreiben, in dem er ihm bescheinigte, „der ganzen Menschheit neue Hoffnung“ zu geben. Nur „sehr wenige“ Politiker hätten es geschafft, „den geistigen Zustand der Welt in so kurzer Zeit zu ändern“. Der polnische Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger von 1983, Lech Walesa , bezeichnete die Entscheidung für Obama als „zu schnell“. Obama habe noch gar nicht die Zeit gehabt, um „was auch immer zu tun“. Derzeit sei er damit beschäftigt, Vorschläge zu machen.
Die radikalislamischen Taliban kritisierten die Entscheidung als „ungerecht“. Obama habe „in Afghanistan keinen einzigen Schritt in Richtung Frieden“ unternommen.