Ist der EU-Beitritt jetzt unmöglich geworden? Türkische Medien trauern der SPD nach. Die Briten wundern sich über Guido Westerwelle.
Istanbul/London/Jerusalem. Nach der Bundestagswahl stellt sich die Türkei auf schwierigere Zeiten für ihre EU-Kandidatur ein. Die Lage sei angesichts einer schwarz-gelben Regierung für die Türkei „problematischer“, sagte Suat Kiniklioglu, ein führender Außenpolitiker der Regierungspartei AKP, der Zeitung „Today's Zaman“. Auch Oppositionschef Deniz Baykal sagte, der Wahlausgang in Deutschland sei aus türkischer Sicht „nicht positiv“.
Die türkische Presse betonte ebenfalls, nach dem Ausscheiden der SPD aus der Regierungsverantwortung habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Spielraum für ihre türkei-skeptische Haltung. Die SPD unterstützt die türkische Bewerbung. Merkel dagegen favorisiert eine „privilegierte Partnerschaft“ zwischen EU und Türkei unterhalb der Beitrittsschwelle, auch wenn sie die seit 2005 laufenden Beitrittsgespräche Ankaras nicht torpedieren will. „Die Türkei ist der Verlierer“ der Wahl, lautete eine Schlagzeile im „Milliyet“.
Als Hoffnungsschimmer aus türkischer Sicht gilt die FDP. Die Liberalen als neuer Koalitionspartner Merkels und Partei des designierten Außenministers Guido Westerwelle hätten eine positivere Haltung zur türkischen EU-Kandidatur als die Kanzlerin, betonten Kommentatoren.
Israel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel begeistert zu ihrem Wahlerfolg gratuliert. Ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem sagte, Merkel habe in den besonderen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland „Verantwortung, Mut und echte Freundschaft bewiesen“. In Jerusalem herrsche angesichts ihres Wahlsiegs „großer Optimismus“. „In Israel gibt es einen breiten Konsens darüber, dass die guten Zeiten in den deutsch-israelischen Beziehungen nun weitergehen oder sogar noch besser werden“, sagte Sprecher Jossi Levi.
Der ultra-rechte Außenminister Avigdor Lieberman hatte Merkel zuvor herzlich gratuliert. „Während ihrer Amtsjahre hat Merkel tiefe Freundschaft zu Israel, beeindruckende Sensibilität gegenüber der Vergangenheit und Treue gegenüber den besonderen Beziehungen zwischen den beiden Ländern und den beiden Völkern bewiesen“, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministers.
Für Großbritannien steht schon so gut wie fest, dass der neue deutsche Außenminister Guido Westerwelle heißt – doch der FDP-Politiker hat bereits vor einer Ernennung Minuspunkte eingefahren. Zumindest wenn es nach der Zeitung „Independent“ geht: Die berichtete, dass sich Westerwelle bei einer Pressekonferenz geziert hätte, die Frage eines BBC-Reporters auf Englisch zu beantworten. „In Großbritannien wird erwartet, dass die Leute Englisch sprechen, und es ist dasselbe in Deutschland – von den Leuten wird erwartet, dass sie Deutsch sprechen“, wurde Westerwelle zitiert.
Für das Blatt gab es da nur eine Interpretation: Das Ganze sei der „Vorgeschmack auf ein neues teutonisches Selbstbewusstsein in internationalen Angelegenheiten.“ Die „Times“ jedoch wusste zu berichten, dass Westerwelle sich auffällig um ein besseres Englisch bemühe und Privatstunden nehme.