Obama-Administration ist entsetzt über die massiven Vorwürfe der Wahlfälschung und über Karsais Wahl seiner Verbündeten.
Hamburg/Washington. Der seit Langem schwelende politische Dissens zwischen der amerikanischen und der afghanischen Regierung ist jetzt in einem heftigen Wortgefecht eskaliert.
Wie ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung gegenüber dem Sender CNN einräumte, gab es beim kürzlichen Kabul-Besuch von Barack Obamas Sondergesandtem Richard Holbrooke einen "scharfen Wortwechsel" mit dem afghanischen Präsidenten Hamit Karsai. "Wir werden das auch gar nicht bestreiten", sagte der Top-Beamte offen, "das ging hin und her, verschiedene Streitpunkte betreffend". Er beschrieb das Treffen Holbrookes mit Karsai, ein Arbeitsessen, als "schwierig" und "sehr hart", dementierte aber Berichte, nach denen Holbrooke wutentbrannt aus dem Raum gestürmt sei.
Hintergrund des Streits ist eine wachsende Unzufriedenheit der Administration von US-Präsident Obama mit der Politik von Karsai, dessen Regierung als eine der korruptesten in der afghanischen Geschichte gilt. Zudem hatte Karsai im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom 29. August Bündnisse mit mehreren Kriegsherren wie dem Usbekengeneral Rashid Dostum geschlossen, denen man zahlreiche Morde und schwere Menschenrechtsverletzungen vorwirft. Die "New York Times" berichtete über starke Verärgerung in Washington auch darüber, dass Karsai den Warlord Mohammed Kasim Fahid zu seinem Stellvertreter machen will. Fahim gilt - wie auch Karsais Bruder - als Drogenbaron. Die US-Regierung erwägt, im Falle der Ernennung Fahims Sanktionen gegen ihn zu verhängen.
Westliche Beobachter hatten die bloße Tatsache, dass die Wahlen trotz massiver Drohungen und Gewaltakte seitens der radikalislamischen Taliban-Milizen stattfinden konnten, als Erfolg gewertet. Doch gleichzeitig wurden Vorwürfe über gravierende Fälschungen und Manipulationen zugunsten Karsais laut.
Richard Holbrooke soll nach Berichten den afghanischen Präsidenten dazu aufgefordert haben, in eine Stichwahl zu gehen, um seinen möglichen Sieg besser legitimieren zu können. Karsai soll dieses Ansinnen jedoch wütend zurückgewiesen haben. Die Auszählung der Stimmen in Afghanistan läuft noch immer; das Endresultat soll Mitte September vorliegen. Ein Minister aus Karsais Kabinett hat nach Veröffentlichung erster Zwischenergebnisse bereits behauptet, der Präsident liege mit 68 Prozent in Führung vor dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah. Der wiederum bezichtigt ebenfals Karsai der Wahlfälschung.
Der Washingtoner Top-Beamte bestritt, dass Holbrooke versucht habe, Karsai eine Stichwahl "zu diktieren". Holbrooke habe nur gesagt: "Wenn es auf einen zweiten Wahlgang hinausläuft, dann soll es eben so sein."
Allerdings gilt die Verhandlungstaktik des deutschstämmigen Spitzendiplomaten Holbrooke als berüchtigt rüde. 1995 zwang er den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic zu einer Einigung im Bosnien-Krieg, indem er sinngemäß sagte: "Ich möchte Ihnen jene amerikanischen Offiziere vorstellen, die Ihr Land bombardieren werden, falls Sie nicht unterschreiben". Milosevic beeilte sich, das Dayton-Abkommen zu unterzeichnen.
Umgekehrt stehen aber auch die Amerikaner in afghanischer Kritik. Der Abgeordnete Chalid Faroki verurteilte die US-Streitkräfte scharf für einen Hubschrauber-Angriff auf ein Krankenhaus. Darin wurde gerade ein verletzter Taliban-Kommandeur behandelt. Der Mann hätte anders gefasst werden müssen, sagte Faroki.