Absurder Prozess: Aung San Suu Kyi wurde erst zu Zwangsarbeit, dann zu weiterem Hausarrest verurteilt. Ein US-Bürger war zu ihrem abgeschirmten Haus geschwommen und hatte sich als ungebetener Gast dort aufgehalten. Sie konnte nichts dafür. Die EU verschärft jetzt die Sanktionen gegen das Regime.
Rangun. In Birma ist Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi (64) zu 18 Monaten Hausarrest verurteilt worden. Das Gericht in Rangun verurteilte die Friedensnobelpreisträgerin zunächst zu drei Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit. Auf Anweisung des Chefs der Militärregierung, General Than Shwe, wurde die Haftstrafe jedoch in anderthalb Jahre Hausarrest umgewandelt, wie Innenminister Maung Oo mitteilte. Der ebenfalls angeklagte US-Bürger John Yettaw wurde zu sieben Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt.
Suu Kyi stand vor Gericht, weil sie den US-Bürger Yettaw während ihres Hausarrests bei sich beherbergte, nachdem er sich ungebeten Zutritt auf das Gelände ihres Hauses verschafft hatte. Die seit Jahren unter Hausarrest stehende Oppositionschefin wird damit auch während der für 2010 anstehenden Wahlen unter Hausarrest stehen. Das Verfahren gegen Suu Kyi wurde international als Schauprozess gebrandmarkt.
Vor dem Insein-Gefängnis im Norden der Hauptstadt Rangun, wo der Prozess meist hinter verschlossenen Türen stattfand, waren die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft worden. Nach Angaben von Augenzeugen wurde das Gebiet rund um das Gefängnis abgesperrt. Vertreter der Botschaften erhielten jedoch die Erlaubnis, dem Verfahren beizuwohnen. Yettaw war am Montagabend aus dem Krankenhaus entlassen worden, wo er seit vergangener Woche nach mehreren Krampfanfällen behandelt wurde. Wegen Yettaws Zustand waren Beobachter zunächst davon ausgegangen, dass die Urteilsverkündung verschoben werden könnte.
Die Europäische Union verschärft aus Protest gegen die erneute Verurteilung von Aung San Suu Kyi die Sanktionen gegen die politische Führung in Birma. Dies teilte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft mit. Die „restriktiven Maßnahmen“ gegen das Militärregime würden ausgeweitet, gegen die für das Urteil verantwortlichen würden „zusätzliche gezielte Maßnahmen“ ergriffen. Einzelheiten müssen vom Ministerrat beschlossen werden.
Aung San Suu Kyi ist trotz jahrelangen Hausarrests für Millionen Menschen eine Hoffnungsträgerin. „Democracy-Lady“ nennen die Menschen sie ehrfürchtig. Keiner traut sich in dem Polizeistaat, die Politikerin beim Namen zu nennen. Junta-Chef Than Shwe soll einen solchen Hass auf sie haben, dass ihr Name in seiner Gegenwart nicht ausgesprochen werden darf. Mit ihrem eisernen Willen lehrt die zierliche Frau die Generäle seit mehr als 20 Jahren das Fürchten. Suu Kyi erhielt 1991 den Friedensnobelpreis, mit dem das Komitee ihren friedlichen Einsatz für ein Ende der Militärdiktatur honorierte.
Suu Kyi hatte zwar ein Jahr zuvor die Wahlen gewonnen, aber die Junta wollte nicht die Macht abgeben. Ruhig aber beharrlich bestand Suu Kyi jedoch darauf, Regierungschefin zu werden. Das Regime hielt sie stattdessen unter Hausarrest. In ihrem inzwischen fast baufälligen Haus in Rangun hat die studierte Politologin fast 14 der vergangenen 20 Jahre fast völlig isoliert verbracht. Suu Kyi ist die Tochter des Unabhängigkeitshelden Aung San, der 1947 ermordet wurde, als sie noch ein kleines Kind war. Sie wuchs teilweise in Indien und Nepal auf, wo ihre Mutter Botschafterin war. Suu Kyi studierte später Politik, Philosophie und Wirtschaft in Oxford. Sie heiratete einen britischen Tibet-Spezialisten und lebte lange in Bhutan.
1988 kehrte sie nach Birma zurück, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Als die Junta in dem Jahr das Feuer auf demonstrierende Studenten eröffnete, ging sie aus Empörung in die Politik. Am Grab ihrer Mutter schwor Suu Kyi vor Tausenden Anhängern, sich wie ihr Vater in den Dienst des Volkes zu stellen.