Israels Verteidigungsminister Ehud Barak hat der radikalislamischen Hamas am Montag einen „Krieg bis zum bitteren Ende“ angekündigt. Vize-Generalstabschef Dan Harel ergänzte: „Das Schlimmste ist noch nicht ausgestanden, es steht uns noch bevor.“

Tel Aviv/Gaza/Berlin. Israelische Kampfflugzeuge flogen derweil am dritten Tag in Folge mit unverminderter Härte neue Angriffe auf Ziele der Hamas im Gazastreifen. Bei den blutigsten Luftangriffen auf das Palästinensergebiet seit 40 Jahren starben bislang mindestens 345 Menschen, wie die palästinensische Gesundheitsbehörde mitteilte. 1600 Menschen wurden verletzt.

Angesichts der kritischen Lage berief die französische Ratspräsidentschaft für diesen Dienstag ein Krisentreffen der Außenminister der 27 EU-Staaten in Paris ein. Zuvor hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy telefonisch mit seinem ägyptischen Amtskollegen Husni Mubarak über die Situation gesprochen. Anfang Januar werde Sarkozy im Elysee-Palast auch die israelische Außenministerin Zipi Livni empfangen, hieß es.

Barak sagte im Parlament, die bisherige Operation werde ausgedehnt, wenn dies notwendig sei. Die Armee erklärte das Gebiet um den Gazastreifen herum gleichzeitig zur militärischen Sperrzone. Dies wurde in israelischen Medien als Hinweis auf eine Bodenoffensive gesehen. Zuvor waren bereits Kriegsschiffe in die Militäroperation einbezogen worden. Seit Beginn der Operation am Samstag hat die israelische Luftwaffe mehr als 300 Angriffe geflogen.

Im Gegenzug feuerten militante Palästinenser binnen drei Tagen nach Armeeangaben mehr als 200 Raketen und Mörsergranaten auf israelische Grenzstädte. Allein am Montag schlugen mehr als 60 Raketen ein. Ein israelischer Araber starb dabei durch die Explosion einer Grad-Rakete in Aschkalon. Bereits am Samstag war ein Israeli in der Grenzstadt Netivot bei einem Raketenangriff getötet worden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab der Hamas die alleinige Schuld an der Eskalation. "Die Bundeskanzlerin legt Wert darauf, dass bei der Beurteilung der Situation im Nahen Osten Ursache und Wirkung nicht vertauscht werden oder Ursache und Wirkung nicht in Vergessenheit geraten", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Auch das Weiße Haus machte erneut die Hamas für die jüngste Entwicklung verantwortlich. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warf der internationalen Gemeinschaft mangelndes Engagement im Nahost-Konflikt vor.

Ein Sprecher der Hamas lehnte derweil den Aufruf von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ab, in einen Dialog zu treten, um eine Lösung zu finden. Abbas wolle "den palästinensischen Widerstand bloß überzeugen, nicht mehr auf die Verbrechen der Zionisten gegen die standhaften Menschen im Gazastreifen zu antworten", sagte Hamas- Sprecher Fausi Barhum.

In zahlreichen arabischen Ländern, aber auch im Westen kam es erneut zu anti-israelischen Protesten. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa demonstrierten 9000 Frauen. Proteste gab es auch in Syrien, Oman, Ägypten, dem Libanon und Mauretanien. In der iranischen Hauptstadt Teheran gingen zehntausende Menschen in einer vom Staat organisierten Kundgebung auf die Straße. In Berlin demonstrierten mehr als 1000 Menschen nach Polizeiangaben gegen die israelischen Militäraktionen im Gazastreifen, in London waren es mehrere hundert. In der griechischen Hauptstadt Athen setzte die Polizei Tränengas gegen Protestierer ein.

Wegen des Todes von acht palästinensischen Studenten beim UN- Palästinahilfswerk UNRWA sowie wegen schwerer Schäden an UN- Einrichtungen im Gazastreifen protestierten die UN scharf beim israelischen Verteidigungsminister Barak. Den Angaben zufolge wurden am Samstag acht UNRWA-Studenten getötet und weitere 19 verletzt, als eine auf eine Gruppe von Polizisten abgefeuerte Rakete gegenüber dem UNRWA-Ausbildungszentrum explodierte. Bei einem zweiten Zwischenfall gab es am Montag den Angaben zufolge Schäden am Sitz des UN- Sonderkoordinators, nachdem zwei Raketen ein unmittelbar angrenzendes Regierungsgästehaus getroffen hatten.

Israel hatte zuvor Vorwürfe unverhältnismäßiger Härte bei den Luftangriffen auf den Gazastreifen zurückgewiesen. Während die Hamas Zivilisten als menschliche Schutzschilder benutze, versuche Israel, die zivilen Opfer auf beiden Seiten gering zu halten, hieß es in einer am Montag verbreiteten Erklärung des Außenministeriums. Nach humanitärem Völkerrecht handele es sich bei Raketenabschussrampen und Waffenlagern im Gazastreifen um rechtmäßige militärische Ziele, auch wenn sie inmitten von Wohngebieten lägen.

Die israelische Luftwaffe hatte am Montag ihre Angriffe fortgesetzt. Zu den Zielen gehörten unter anderem Waffenfabriken, Schmugglertunnel sowie ein Gästehaus der Hamas. Die Lage im Gazastreifen wurde nach Augenzeugenberichten immer verzweifelter. Im Schifa-Krankenhaus von Gaza werden Verletzte inzwischen auf dem Boden behandelt, weil keine Tragen oder Betten mehr frei sind. UN- Nothilfekoordinator John Holmes nannte die Versorgungslage der Bevölkerung "besorgniserregend". Nach der monatelangen Abriegelung des Gebiets gebe es praktisch keine Vorräte mehr, Hilfslieferungen kämen nur sehr langsam ins Land. So durften seinen Angaben zufolge am Montag 60 Laster mit Lebensmitteln und Medikamenten für alle Hilfsorganisationen zusammen passieren, allein UNRWA benötige jedoch 100 Getreidelaster pro Tag. "Die Lieferungen bisher sind besser als nichts, aber sie bleiben völlig unzureichend", sagte Holmes.