Ein Konjunkturpaket soll den Kontinent vor der Krise retten. Das Klimapaket kann auch der Wirtschaft nutzen.

Brüssel. "Wirtschaft und Umwelt stehen nicht in direktem Widerspruch zueinander." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist sich darüber mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) völlig einig. "Man muss nur verantwortbare Kompromisse finden", so der Minister. Und das ist der Europäischen Union (EU) beim zweitägigen Gipfeltreffen in Brüssel nach Einschätzung der Bundesregierung gelungen.

Klima, Konjunktur, Krise? Die EU wollte diesen Eindruck um jeden Preis vermeiden und sich handlungsfähig zeigen. Der weltweiten Rezession begegnen, den Klimawandel aufhalten, aber dabei keine Arbeitsplätze abbauen oder in Länder mit lascheren Regeln abwandern lassen - diese Quadratur des Kreises galt es zu meistern.

Bis 2020 will die EU die CO2-Emissionen um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 senken. Bei internationalen Vereinbarungen, zum Beispiel beim Kyoto-Nachfolgeprotokoll 2009 in Kopenhagen, soll diese Quote auf 30 Prozent steigen. Bis 2020 soll zudem der Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent steigen. Diese Werte waren 2007 unter deutscher Führung beschlossen worden. "Wir haben jetzt ein wirklich durchgearbeitetes Projekt, nicht nur eine Zielvorgabe", sagte Merkel. In der Tat übernimmt Europa eine Vorreiterrolle, die USA zum Beispiel haben noch keine Reduktionsziele. Die Botschaft von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso an den künftigen Präsidenten Barack Obama lautete dann auch: "Yes you can. Ihr könnt auch machen, was wir tun. Ihr könnt auch die Ziele erreichen, die wir uns gesetzt haben."

Aber die Deutschen hatten auch ein nationales Anliegen - nämlich energieintensive Branchen wie die Kupfer-, Stahl-, Aluminium-, Chemie- oder Zementindustrie, immerhin 80 Prozent der deutschen Industrie, bei der Umsetzung der Klimaziele nicht über Gebühr zu belasten. Wenn die Industrie ab 2013 ihre CO2-Verschmutzungsrechte stufenweise ersteigern muss, sind nach Merkels und Steinmeiers Einsatz 80 bis 90 Prozent der Betriebe von dieser Pflicht befreit. Die Bundesregierung hatte Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen befürchtet.

Die Osteuropäer erhalten zwölf Prozent der Auktionszertifikate als Solidaritätsbonus - eine typische EU-Lösung, nach der die Großen und Starken den Kleinen helfen. Da aber die Osteuropäer ihren Anlagenpark modernisieren müssen und Deutschland moderne Hochtechnologie für Kraftwerke und bei erneuerbaren Energien verkauft, wird so mancher Auftrag an den Exportweltmeister gehen und der Klimaschutz hier Arbeitsplätze schaffen oder zumindest sichern. Ökologie und Ökonomie befeuern sich im Idealfall gegenseitig.

Das ebenfalls beschlossene Konjunkturprogramm muss schnell wirken, um die Auswirkungen der weltweiten Rezession etwas abzumildern. Deshalb einigte sich der EU-Gipfel auf ein Paket von 200 Milliarden Euro oder etwa 1,5 Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung. Die EU-Staaten übernehmen mit 170 Milliarden Euro den Löwenanteil, richten aber keinen neuen Finanztopf ein, weil die nationalen Pakete in Brüssel angerechnet werden. Für Großunternehmen werden die Ausschreibungen erleichtert und für kleinere und mittlere Betriebe die Beihilferegeln vereinfacht.

Deutschland hat bisher zwei Konjunkturpakete über 32 Milliarden Euro aufgelegt. Man werde darüber beraten, ob weitere Schritte notwendig seien, so Merkel. Für Sonntag hat sie rund 30 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften zu einem Konjunkturgipfel ins Kanzleramt geladen.

Während sich die Wirtschaft mit dem Konjunkturpaket in ersten Reaktionen zufrieden zeigte, hagelte es vor allem beim Klimapaket Kritik. In seltener Einigkeit fanden sich Energiewirtschaft und Umweltschützer. Die einen befürchten einen Anstieg der Strompreise in den kommenden Jahren, die anderen sehen wegen der vielen Ausnahmeregelungen das Ende des Klimaschutzes heraufziehen.

Davon unbeeindruckt ist die Gipfelbilanz des EU-Ratspräsidenten, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy ausgefallen: "Wir brauchen große Ambitionen, keine kleinen. Denn die kleinen versteht keiner, und für kleine Ambitionen opfert niemand seine egoistischen Interessen."