Der Streit über teure Vergnügungsreisen durch piratenverseuchte Gewässer vor Somalia eskaliert. Mit Empörung und einhelliger Ablehnung reagierte die...
Berlin. Der Streit über teure Vergnügungsreisen durch piratenverseuchte Gewässer vor Somalia eskaliert. Mit Empörung und einhelliger Ablehnung reagierte die Politik auf die Forderung der Reisebranche nach Marineeskorten für ihre Kreuzfahrtschiffe. Auf internationaler Ebene wurden Überlegungen laut, somalische Piratennester von Kommandotruppen ausräuchern zu lassen.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung nannte solche Kreuzfahrten in der Region unverantwortlich. SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck forderte wie Jung die Reeder auf, von Billigflaggen abzukehren: Es sei "unanständig, den Schutz der Bundesmarine in Anspruch zu nehmen, aber in Deutschland keine Steuern zu zahlen", sagte Struck dem "Tagesspiegel". Jung betonte im ZDF, wer unter fremder Flagge fahre und keine deutsche Besatzung an Bord habe, habe bei einer möglichen Rettung vor Piraten nicht die höchste Priorität.
Der Tourismusbeauftragte der Regierung, Ernst Hinsken, erklärte, die Risiken für Leib und Leben der Passagiere seien nicht vertretbar. Es gehe auch nicht an, dass die Bundesrepublik Kosten für Rettungs- und Befreiungsaktionen übernehme, falls Passagierschiffe von Piraten angegriffen werden, sagte der CSU-Politiker der "Berliner Zeitung". Jeder Einzelne werde zur Kasse gebeten, wenn er sich trotz Warnung in Gefahr begebe.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbands (DRV), Hans-Gustav Koch, verlangte dagegen militärischen Geleitschutz. Bis Ende März würden neun deutsche Schiffe die Region passieren, das sei eine überschaubare Zahl. Eine Absage dieser Reisen komme wegen der hohen Kosten für die Reedereien nicht in Betracht. Auch Soldaten wolle er nicht an Bord haben.
Die norddeutsche Peter Deilmann Reederei hält trotz der Piraten-Bedrohung am Fahrplan ihres Kreuzfahrtschiffes "Deutschland" fest. Reederei-Sprecher Hans-Ulrich Kossel sagte, das kritische Gebiet im Golf von Aden zu umfahren sei nicht möglich, da man dafür um Südafrika fahren müsste und 30 Tage länger unterwegs sei. Hapag-Lloyd hatte dagegen erklärt, bis auf Weiteres das Gebiet nicht mit Passagieren zu durchfahren.
Auf internationaler Ebene konzentrierte sich die Debatte auf mögliche Schwachpunkte der Piratenorganisationen an Land. Die Regierung von Präsident George W. Bush wirbt derzeit für eine neue Uno-Resolution, die es den in den Gewässern patrouillierenden internationalen Streitkräften erlauben soll, die Seeräuber auch an Land "mit allen nötigen Mitteln" zu verfolgen.
Allein in diesem Jahr wurden etwa 100 Schiffe in der Gegend überfallen und fast 40 davon gekapert. Insgesamt wurden 30 deutsche Schiffe attackiert. Nach Einschätzung des Piraten-Beauftragten der Uno, Ahmedou Ould Abdallah, haben die Seeräuber gut 120 Millionen Euro erpresst.
Zuletzt waren auch Kreuzfahrtschiffe bedroht. Das Auswärtige Amt warnt eindringlich vor Reisen nach Somalia und in die Gewässer vor dem Land. Aufgrund dieser Reisewarnung müssen die Veranstalter ihren Kunden Umbuchung und Stornierung anbieten.