Sechs Kriegsschiffe sollen die Seewege vor Somalia schützen. SPD-Fraktionschef Struck spricht von “Kampfeinsatz“.
Hamburg/Berlin. Das heikle "K-Wort" war von deutschen Politikern lange sorgfältig vermieden worden. Bis SPD-Fraktionschef Peter Struck dem verbalen Eiertanz um ein "robustes Mandat" gestern in der Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatts mit einem Paukenschlag ein Ende setzte. "Dieser Einsatz ist gefährlich für Leib und Leben unserer Soldaten. Die Piraten verfügen über Waffen, die auch ein Schiff bekämpfen können. Ich würde von einem Kampfeinsatz gegen Piraten sprechen", sagte Struck . Zur Begründung des Einsatzes sagte er: "Ich denke da an die deutschen Reeder. Es kann nicht sein, dass wir tatenlos zusehen, wie Schiffe gekapert werden und Lösegeld erpresst wird für Geiseln und auch für die Ladung."
Die EU werde jetzt "energisch dagegen vorgehen, und es ist gut, dass sich Deutschland daran beteiligt", betonte der frühere Bundesverteidigungsminister. Die Piraten müssten künftig "mit Verfolgung und Kampf rechnen, wenn sie versuchen, ein Schiff zu kapern". Mit der ehrlichen Einschätzung "Kampfeinsatz" ist die Katze aus dem Sack; die ganze Republik weiß nun, was unsere Marine am Horn von Afrika erwarten könnte.
Der Uno-Sicherheitsrat hatte in diesem Jahr eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, um einen bewaffneten Kampf gegen die grassierende Piratenplage zu ermöglichen. Die letzte dieser Resolutionen, 1846, liefert ein Mandat zunächst bis zum 2. Dezember 2009.
Auf dieser Grundlage wollen die EU-Außenminister heute den Beginn der "Operation Atalanta" beschließen. Zunächst sollen sechs Kriegsschiffe und drei Aufklärungsflugzeuge eingesetzt werden, um die freie Seeschifffahrt entlang der 3700 Kilometer langen Küste von Somalia sowie die Lieferung von Hilfsgütern des Welternährungsprogramms (WFP) sicherzustellen. Das Land ist mit seinen mehr als einer Million Binnenflüchtlingen und mehr als drei Millionen Hungernden eines der größten humanitären Krisengebiete weltweit.
Das Kommando der "Operation Atalanta" hat der britische Konteradmiral Phillip Jones, sein Hauptquartier mit einem Operationsstab von 80 Offizieren liegt in Northwood bei London. Er befehligt Marineeinheiten aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden, Griechenland, den Niederlanden und wohl auch Portugal. Sie stellen auch eine "Embarked Military Force", eine Einheit aus speziell ausgebildeten Sicherungskräften, die an Bord zu schützender Schiff gehen kann.
Der Stellvertreter von Jones wird zunächst von Frankreich gestellt und später von Deutschland. Vorausgesetzt, dass der Bundestag vermutlich am Mittwoch der Mission zustimmen wird - woran trotz mancher Unschärfen keine ernsthaften Zweifel bestehen. Allerdings besteht offenbar noch Klärungsbedarf beim Umfang des deutschen Beitrages: Während die Bundesregierung sowie die Verteidigungsexperten von CDU und SPD, Rainer Arnold und Bernd Siebert, die Entsendung von bis zu 1400 Soldaten für nötig erachtet hatten, sagte Peter Struck im Abendblatt: "Wir werden voraussichtlich mit einer Fregatte und bis zu 1000 Mann vor Ort sein." Pro Fregatte sind bis zu 250 Mann Besatzung anzusetzen; in der Ablösungsphase wären das bei zwei Fregatten bereits 500 Mann. Hinzu kommen die Besatzungen von Logistik- und Begleitschiffen. "Trotz der starken Beanspruchung der Bundeswehr in anderen Auslandseinsätzen kann unsere Marine das leisten", ist sich Struck sicher.
Bei Bedarf sollen vorübergehend auch Kriegsschiffe aus der parallel unter US-Federführung laufenden Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" herausgelöst werden können. Das könnte zum Beispiel die deutsche Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" betreffen.
Durch das Seegebiet vor der somalischen Küste und den Golf von Aden führt die wichtigste Handelsroute zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien. Doch Somalia ist ein "failed state", ein gescheiterter Staat ohne funktionierende Zentralregierung. Die Piraten nutzen dies aus, sind mafiaartig organisiert und verwenden kleine, schnelle Boote. Bewaffnet sind sie mit automatischen Waffen und Panzerfäusten des Typs RPG; deren leistungsstärkster Raketenkopf bis zu 70 Zentimeter Panzerstahl durchschlagen kann. Damit sind sie selbst für Kriegsschiffe gefährlich.
Derzeit sind noch 17 Schiffe mit mehr als 250 Seeleuten in der Gewalt somalischer Piraten.