Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hat sich gegen einen Boykott der Olympischen Spiele als Reaktion auf das Vorgehen Chinas gegen die Protestbewegung in Tibet ausgesprochen.
Berlin. Genscher sagte im Inforadio des RBB, die Erfahrungen mit dem Boykott in Moskau 1980 zeigten, dass die gewünschte Wirkung nicht erzielt worden sei. Es sei dem Westen erst durch eine Politik des Dialogs gelungen, den Krieg der Sowjetunion in Afghanistan zu beenden.
Wenn die chinesische Führung sage, sie wolle den Dialog mit dem Dalai Lama aufnehmen, sofern dieser die Integrität des chinesischen Staates anerkenne, sei dies bereits eine erste Reaktion auf die internationale Diskussion. Ein Boykott habe unter Umständen eine gegenteilige Wirkung.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat die EU und die Bundesregierung aufgefordert, den politischen Druck auf China wegen des Vorgehens in Tibet zu erhöhen. Die "gewaltsame und menschenverachtende Unterdrückung des tibetischen Volkes" müsse ein Ende finden, erklärte ZdK-Vizepräsident Christoph Braß. Wenige Monate vor Beginn der Olympischen Spiele werde die Hoffnung auf politische Reformen in China "bitter enttäuscht". Auch deutschen und europäischen Firmen, die mit China Geschäfte machen, und deutschen Verbrauchern, die Waren aus China kaufen, könne die Menschenrechtssituation dort nicht gleichgültig sein, hieß es weiter. "Die brutale Niederschlagung der Proteste in Tibet und der Versuch, diese vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, stellen nicht hinnehmbare Menschenrechtsverletzungen dar", erklärte Braß.
Die Journalisten-Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat das Vorgehen der chinesischen Behörden gegen eine freie Berichterstattung aus Tibet scharf verurteilt. Telefonleitungen seien unterbrochen, die Zensur des Internets und der Presse sei verschärft worden, hieß es in einer Erklärung. "Dass ausländische Journalisten sich frei in China bewegen durften, war eine der wenigen positiven Entwicklungen im Vorfeld der Olympischen Spiele", erklärte "Reporter ohne Grenzen".
Der Aufstand der Tibeter solle ohne Zeugen niedergeschlagen werden. Damit habe Peking "erneut sein Olympia-Versprechen gebrochen, die Lage der Menschenrechte zu verbessern".