Gaza/Tel Aviv/New York. Die palästinensische Regierung hat die Nahost-Friedensverhandlungen nach massiven israelischen Angriffen auf den Gazastreifen auf Eis gelegt. Bei den folgenschwersten Gefechten seit der Machtübernahme der radikalislamischen Hamas in Gaza vor rund neun Monaten töteten die israelischen Truppen am Wochenende fast 70 Palästinenser, darunter viele Zivilpersonen. Die gemäßigte palästinensische Führung im Westjordanland, die selbst eine Gegnerin der Hamas ist, verurteilte die Angriffe als "Holocaust" und "Völkermord". Papst Benedikt XVI. appellierte an beide Seiten, die Kämpfe ohne Vorbedingungen zu stoppen.
Ägypten öffnete unterdessen seinen Grenzübergang zum Gazastreifen, um verwundete Palästinenser aufzunehmen. Ägypten schickte 27 Krankenwagen zum Grenzübergang Rafah. Sie sollten 150 bis 200 Verwundete in Krankenhäuser auf der Halbinsel Sinai bringen.
Hamas-Regierungschef Ismail Hanija bat nach Angaben eines Sprechers die Regierungen Ägyptens, Saudi-Arabiens, Jordaniens und anderer arabischer Staaten um internationale Unterstützung. Außerdem sprach er sich für Gespräche mit der rivalisierenden Fatah-Bewegung von Präsident Mahmud Abbas aus. Der israelische Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai hatte den Palästinensern eine "Schoah" angedroht und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Eigentlich ein hebräisches Wort für "Katastrophe" oder "Zerstörung", ist "Schoah" seit dem 1985 erschienenen Dokumentarfilm des Franzosen Claude Lanzmann über die Ermordung von sechs Millionen Juden durch Nazi-Deutschland zum Inbegriff für den Holocaust geworden. "Im Nachhinein hätte ich wohl besser einen anderen Ausdruck benutzen sollen, obwohl klar war, dass ich eine Katastrophe meinte", sagte Vilnai.
Ausländische Medien übersetzten die Wortwahl des Ministers prompt mit dem Wort "Holocaust", das sich in der angelsächsischen Welt und auch in Deutschland als Begriff für den Völkermord an den Juden durchgesetzt hat. Der Schritt zum Vorwurf, Israel verübe an den Palästinensern Völkermord, lag für viele Kritiker nahe. Der Chef der radikalen Palästinensergruppe Hamas, Chaled Meschaal, erklärte seinerseits, Israel nutze den Holocaust als Vorwand, um gegen die Palästinenser im Gazastreifen vorzugehen. In Saudi-Arabien sagte am Sonntag ein Behördenvertreter der Nachrichtenagentur SPA, Israel ahme "mit seinem Vorgehen die Kriegsverbrechen der Nazis nach".