Im US-Gefangenenlager Guantanamo haben Angehörige der US-Armee mit der dokumentierten Mißhandlung eines Insassen für einen neuen Skandal gesorgt.
Washington. US-Soldaten hätten einen saudi-arabischen Gefangenen über Monate hinweg gedemütigt und gequält, berichtete das US-Magazin "Time" unter Berufung auf Geheimprotokolle. Die US-Regierung lehnte jedoch trotz wachsender Kritik in eigenen Reihen eine Schließung des Lagers ab.
In dem 84 Seiten umfassenden Geheimdokument wird beschrieben, wie Mohammed el Kahtani in der Zeit von November 2002 bis Januar 2003 systematisch gedemütigt wurde. Einmal hätten Verhörspezialisten den Moslem auf den Boden gelegt, und eine Frau habe sich über ihn gekniet. Als Kahtani versucht habe, die Frau von sich wegzustoßen, hätten die Ermittler ihn festgehalten. Als der Verdächtige schließlich nichts mehr aß und trank, bekam er durch eine Kanüle im Arm dreieinhalb Beutel Flüssigkeit eingeflößt; anschließend hätten die Militärs ihn nicht auf die Toilette gehen lassen, so daß er gezwungen war, in die Hose zu urinieren. Außerdem sind dem Häftling 063 Bart und Kopfhaar geschoren worden - eine Demütigung für Muslime. Bei Befragungen habe er auch wie ein Hund bellen müssen.
Schlußendlich habe er gestanden, der Terrororganisation Al Kaida von Osama bin Laden anzugehören. Die US-Regierung verdächtigt den Mann, an der Vorbereitung zu den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt gewesen zu sein. Mitarbeiter der US-Regierung gehen davon aus, daß sich Kahtani den Luftpiraten hätte anschließen wollen, wenn ihm die Einreise in die USA nicht im August 2001 verweigert worden wäre. Im Dezember desselben Jahres wurde er in Afghanistan festgenommen.
Das Verteidigungsministerium dementierte keine der Anschuldigungen. In einer Erklärung hieß es, die Ermittler hätten sich bei Kahtani "bewährter und überwachter Befragungsansätze" bedient. Mehrere US-Senatoren sowohl der Demokraten als auch der regierenden Republikaner reagierten entsetzt. "Wenn wir Gefangene derart behandeln, ist das nicht nur falsch, sondern auch gefährlich, sehr dumm und sehr kurzsichtig", sagte der Republikaner Chuck Hagel.
US-Vizepräsident Dick Cheney bekräftigte, es gebe keine Pläne zur Schließung von Guantanamo. Bei den Gefangenen handele es sich "größtenteils" um Terroristen und um "schlechte Menschen". Die Häftlinge seien überprüft worden. Wer jetzt noch in Guantanamo sei, gehöre "zum harten Kern". In dem umstrittenen Lager Guantanamo auf Kuba halten die USA zur Zeit noch etwa 540 Menschen als Terrorverdächtige fest.