Warum das “Familienfoto“ wiederholt werden musste und wie die Staats- und Regierungschefs gegen die Krise zurückschlugen.

Berlin/London. London, 8.00 Uhr Ortszeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück werden am Fünf-Sterne-Hotel The Berkeley in Knightsbridge abgeholt. Mit Eskorte geht es hinüber zum Royal Victoria Dock in den Docklands, wo sich das hypermoderne Exhibition Conference Center, kurz: ExCeL, befindet. Der Tagungsort der G20.

8.30 Uhr: In der "Red Zone" beginnt das Arbeitsfrühstück der Staats- und Regierungschefs. Die Finanzminister sitzen in einer Extrarunde zusammen. In beiden Kreisen sondiert man die Gefechtslage. Es zeichnet sich ab, dass Merkel und Sarkozy Chancen haben, sich mit ihrer Forderung nach einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte durchzusetzen, aber die Stimmung ist angespannt. Es gebe noch Streitpunkte, sagt der britische Finanzminister Peter Mandelson.

10.00 Uhr: Drinnen versammelt man sich zum offiziellen "Familienfoto". Auf der blauen Wand prangt das Leitmotiv des Londoner Gipfels: "Stability, Growth, Jobs". Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy stellt sich in die erste Reihe. Merkel (roter Blazer, schwarze Hose) und US-Präsident Barack Obama (weinroter Schlips) halten sich elegant im Hintergrund (zweite Reihe). Draußen stehen 200 Demonstranten und schwenken friedlich ihre Transparente.

10.20 Uhr: Die erste Arbeitssitzung im "Main Plenary Room" beginnt. In großer Runde. Anwesend sind die Staats- und Regierungschefs, die Finanzminister und ihre Delegationen. Das Ringen um die Ausformulierung des gemeinsamen Abkommens beginnt. Zweieinhalb Stunden verhandeln die Politiker hinter verschlossenen Türen.

12.30 Uhr: Das "Familienfoto" muss wiederholt werden. Beim ersten Versuch hat Kanadas Premier Stephen Harper gefehlt. Erneut wird optimistisch in die Kameras gelächelt, und Angela

Merkel sucht sich wieder einen Platz in der zweiten Reihe.

13.00 Uhr: Die Gipfelteilnehmer trennen sich zum Arbeitsmittagessen, um die Verhandlungen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs einerseits und auf Ebene der Finanzminister andererseits fortzusetzen. Es sickert durch, dass die Politiker sich auf eine deutliche Aufstockung des Internationalen Währungsfonds verständigt haben. Und noch mehr: Die Rede ist von der größten Reform des Fonds seit dessen Gründung im Jahr 1944.

14.30 Uhr: Die zweite Arbeitssitzung in großer Runde beginnt. Jetzt geht es in der "Red Zone" um die Details. Gastgeber Gordon Brown spricht bereits von einem "hohen Maß an Übereinstimmung", was die Abschlusserklärung des G20-Gipfels anbetrifft. Man sei sich einig, sagt der Premier, dass jede Form von Marktabschottung unterbunden werden müsse. Ein Indiz dafür, dass die Deutschen sich in den Verhandlungen gut geschlagen haben? In Berlin ist die Sorge um protektionistische Tendenzen ja groß gewesen. Bereits im Vorfeld des Gipfels hat es geheißen, man müsse "aus den Fehlern der Vergangenheit" lernen.

15.35 Uhr: Die von Brown angesetzte Pressekonferenz, in der der Gastgeber als Erster die zentralen Ergebnisse des Gipfels bekannt machen will, verschiebt sich nach hinten.

16.56 Uhr nach deutscher Zeit: Die erste Eilmeldung läuft über die Nachrichtenticker. "G20 stellt mehr als 1000 Milliarden Dollar bereit."

17.02 Uhr: Schon wieder eine Eilmeldung. "G20-Gipfel einig über Reform des globalen Finanzsystems."

17.05 Uhr: Dritte Eilmeldung. "Ende für nicht kooperierende Steuerparadiese". Gordon Browns Pressekonferenz hat begonnen. Der Premier tritt vor die Kameras. Er sagt: "Heute ist der Tag, an dem die Welt zusammenkam, um gegen die globale Rezession zurückzuschlagen, nicht mit Worten, sondern mit einem Plan für eine weltweite Erholung und Reform. Wir werden die Bankenlandschaft aufräumen und das Kreditgeschäft wieder ankurbeln."

17.10 Uhr: Auch Bundeskanzlerin Merkel wird nahezu pathetisch und bezeichnet die Beschlüsse des Gipfels als "historischen Kompromiss in einer einzigartigen Krise". Alle Teilnehmer seien getragen gewesen vom Willen zur Einigung. Die Kanzlerin schwärmt vom Londoner "Kameradschaftsgeist".

Anschließend geht es für die Kanzlerin zum Flughafen Stansted, wo bereits der aufgetankte Regierungs-Airbus "Konrad Adenauer" auf die deutsche Delegation wartet.