Justizministerin Zypries zeigt sich offen für eine Aufnahme in Deutschland, Innenminister Schäuble bleibt bei seiner Ablehnung.
Hamburg/Berlin. Die bevorstehende Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo hat in der Bundesregierung einen offenen Streit darüber ausgelöst, ob Häftlinge in Deutschland aufgenommen werden sollen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte die Regierungskoalition davor, eine Aufnahme von vornherein auszuschließen. "Eines ist für mich klar: Eine Schließung darf am Ende nicht daran scheitern, dass sich womöglich für einzelne Gefangene kein Aufnahmeort findet", sagte Zypries gestern dem Hamburger Abendblatt. Die Ministerin erinnerte daran, dass sich die Bundesregierung "seit Jahren für die Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo eingesetzt" habe. Der neue US-Präsident Barack Obama habe schon im Wahlkampf angekündigt, sich dieser Frage zu stellen. "Zunächst ist es aber Sache der neuen US-Administration zu entscheiden, wie mit den Terrorismusverdächtigen umgegangen werden muss", fügte Zypries hinzu. "Sollten die USA dabei die Unterstützung befreundeter Staaten wie Deutschland suchen, wird sicher der Außenminister ihr erster Gesprächspartner sein."
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich hingegen weiter unnachgiebig: "Die Einrichtung von Guantanamo war ein Fehler, den im übrigen bereits die Administration von George W. Bush korrigieren wollte. Die Konsequenzen müssen die Amerikaner tragen", sagte Schäuble.
Jene Guantanamo-Häftlinge, bei denen es keine gesetzlichen Gründe gebe, sie ihrer Freiheit zu berauben, müssten freigelassen werden. "Wenn sie aus Ländern kommen, in die sie aus Menschenrechtsgründen nicht zurückkehren können, müssen sie eben in den USA bleiben", sagte Schäuble der "Frankfurter Rundschau".
Er kenne keinen Grund, weshalb jemand, der zu gefährlich für Amerika sein soll, von einem EU-Land aufgenommen werden müsste. Gleichzeitig kritisierte er Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der Obama in einem offenen Brief angeboten hatte, dass Deutschland einzelne Guantanamo-Häftlinge aufnehmen könnte. "Der Außenminister ist der Außenminister. Zuständig sind die Innenminister von Bund und Ländern. Das kann jeder im Aufenthaltsrecht nachlesen." Auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte gestern, dass die Zuständigkeit für die eventuelle Aufnahme bei Schäuble liege. Nach Aussage von Wilhelm will sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Vorstellungen der USA anhören. Sie werde mit Obama darüber sprechen, sagte er. Großbritannien, Frankreich und Portugal haben die Bereitschaft für Aufnahmen bereits angedeutet. Die Schweizer Regierung hat den USA bereits mitgeteilt, dass sie zu einer Aufnahe von Häftlingen bereit ist, wurde gestern bekannt. Konkret wolle die Schweiz prüfen, ob und in welchem Umfang sie freigelassene Guantanamo-Häftlinge aufnehmen könne, erklärte die Regierung. Allerdings erfordere dies eine "gründliche Analyse", vor allem, was die juristischen und Sicherheits-Aspekte angehe. Im November 2008 hatten die Schweizer Behörden drei Guantanamo-Häftlingen aus Libyen, Algerien und China Asyl verwehrt.
Es sind noch rund 250 Häftlinge in Guantanamo, darunter 20, die als Kriegsverbrecher vor sogenannten Militärkommissionen angeklagt sind. Dazu zählen auch die mutmaßlichen Drahtzieher des 11. September 2001. Khalid Sheikh Mohammed und drei Mitangeklagten wehrten sich gestern gegen die von Obama angeschobene Aussetzung des Verfahrens. Als Einziger unter den fünf Angeklagten stimmte Ramzi Binalshibh, der mutmaßliche Cheflogistiker der Hamburger Terrorzelle, einer Aussetzung zu. Damit könnte auch er nach einer Schließung Guantanamos vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Die USA suchen Länder für die Aufnahme von etwa 50 offensichtlich unschuldigen Gefangenen, denen bei einer Rückkehr in die Heimat Folter droht.