Viele konservative Weiße sind verstört seit der Wahl vom 4. November. Manche glauben gar an eine Verschwörung.
Atlanta. Ed Buren hat Angst vorm schwarzen Mann. Vor dem, der am 20. Januar ins Weiße Haus einziehen wird, und auch sonst. "Ich will nicht, dass so einer über mich und mein Leben entscheidet", sagt er. Den Namen Barack Obama nimmt er nicht in den Mund, nur dessen Mittelnamen wiederholt er gerne: Hussein, wie Saddam.
Ed Buren lebt in Stone Mountain, einem kleinen Dorf östlich von Atlanta im Bundesstaat Georgia. Ein Redneck, so heißen hier die weißen, reaktionären Hinterwäldler. An seinem Pickup-Truck weht eine zerrissene Konföderierten-Flagge, vom Rückspiegel baumelt ein Kreuz aus weißem Plastik. Er ist um die 50, vielleicht auch jünger, mit schlechten Zähnen und schütterem Haar; so unauffällig sieht er aus, dass man ihn schnell vergisst. Aber Stimmen wie die von Ed Buren sind häufiger zu hören seit den Wahlen vom 4. November, meist hinter vorgehaltener Hand.
Vor allem im amerikanischen Süden, jener Region, die immer wieder daran erinnert, dass die Zeit der Rassentrennung in Amerika gerade einmal 50 Jahre zurückliegt und dass der Boden noch immer fruchtbar ist.
Ed Buren betreibt in Stone Mountain eine kleine Werkstatt. Er repariert Kühlschränke, Fernsehgeräte, Maschinen, "alles, was eben so kommt". Er hat für das Treffen eine deutsche Kneipe gewählt, "Village Corner", mit einem düsteren Hinterzimmer. Seinen richtigen Namen will er lieber nicht veröffentlicht sehen - "sonst hab' ich den Mob am Hals".
Er habe bei der Präsidentschaftswahl für John McCain gestimmt, schweren Herzens, denn der sei ihm eigentlich viel zu "liberal", und er meint damit: gemäßigt. Dass seine Landsleute den Demokraten Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt haben, mag er nicht glauben. Da müsse etwas faul gewesen sein, eine Art Verschwörung. "Die Schwarzen haben die Ergebnisse manipuliert, zusammen mit den Schwulen und den Spics." ("Spics": Schimpfwort für Hispanics, Latinos). Dann macht er sich über die dampfende Wurstplatte her - Knackwurst, Bratwurst, Weißwurst, Brühwurst. Und beißt so zornig in das Fleisch, als handele es sich dabei um den Feind höchstpersönlich.
Die Kandidatur von Obama hat schwarze und junge Wähler in Rekordzahlen mobilisiert, vor allem in den Südstaaten. Doch zugleich zeigt sich nach den Wahlen auch das verstörte, das reaktionäre Gesicht des amerikanischen Südens. In einigen Bundesstaaten führte Obamas Kandidatur zu einer Gegenreaktion vieler Weißer. In Arkansas und Louisiana stimmten mehr Wähler für den Kandidaten der Republikaner als noch 2004. In Lamar County in Arkansas gewann John McCain 76 Prozent der Stimmen, fünf Prozentpunkte mehr als Bush vor vier Jahren.
Viele weiße Demokraten in Alabama, Mississippi und Louisiana, die noch 2004 für John Kerry gestimmt hatten, verweigerten Obama ihre Stimme. Viele Wahlbeobachter vermuten: Da sei die Rassenfrage der einzig logische Grund.
"In manchen Regionen des Südens, aber nicht in allen, mag das Thema Rasse eine starke Rolle gespielt haben", sagt Merle Black, Professor für Politische Wissenschaft an der Emory University in Atlanta und Experte für die Südstaaten. Acht der elf traditionellen Südstaaten gingen bei den Wahlen immerhin an McCain. "Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Republikaner in der Defensive sind, in den gesamten USA und auch im Süden."
Tatsächlich hat Barack Obama geschafft, was zuletzt Bill Clinton gelang: die republikanische Hochburg des Südens aufzubrechen. Virginia und North Carolina, viele Jahre fest in republikanischer Hand, wählten demokratisch. Auch der Swing State Florida mit seinem hohen hispanischen Bevölkerungsanteil ging an Obamas Partei. Georgia, seit Jahrzehnten ein solider red state, blieb zwar republikanisch, doch kam McCain hier auf 52 Prozent der Stimmen, George W. Bush 2004 noch auf 58 Prozent. Einfache Schnittmuster passen seit dem 4. November nicht mehr, um den Süden zu beschreiben.
Wie auch im Fall von Stone Mountain, dem Heimatstädtchen von Ed Buren. Ein Ort, in dem viele Schwarze leben. Ein Ort, dem der Bürgerrechtler Martin Luther King einst eine Zeile in seiner berühmten "I have a Dream"-Rede widmete: "Let freedom ring from Stone Mountain of Georgia." Der Ort, wo der methodistische Wanderprediger William J. Simmons 1915 den rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan wieder auferstehen ließ. Wo 1981 der bislang letzte von der Polizei registrierte rassistische Lynchmord von Mitgliedern des Klans verübt wurde. Wo bis heute einmal im Jahr Märsche mit Konföderiertenflagge stattfinden.
Stone Mountain ist aber auch der Ort, wo 80 Prozent der Bürger Obama wählten. Und dessen Stadtvertreter sich seit Langem von der rassistischen Vergangenheit distanzieren. Ed Buren steht in Stone Mountain auf verlorenem Posten.
Zwar stimmten nach einer Erhebung der "New York Times" weniger als ein Drittel aller weißen Wähler im Süden für Obama - im Vergleich zu 43 Prozent in den gesamten USA. Dieser Trend mag angesichts von Obamas Hautfarbe deutlicher ausgefallen sein, aber er ist nicht grundsätzlich neu. Neu ist hingegen, dass die Demokraten im Süden in Zukunft immer weniger auf die Stimmen der weißen Wähler angewiesen sein werden. "Mittlerweile machen Afroamerikaner, Latinos und andere ethnische Gruppen 30 Prozent der Wählerschaft im Süden aus", sagt Politikwissenschaftler Black. Vor 20 Jahren waren es zehn Prozent weniger.
Ethnische, politische und soziale Vielfalt ist es auch, die das künftige Kabinett von Barack Obama prägt. Eine Entwicklung, die Ed Buren mit tiefer Abscheu betrachtet - all die "Schwarzen, Latinos, Asiaten und Frauen", die Obama in "seine Truppe" hole. "Wer kümmert sich da noch um uns anständige weiße Amerikaner?"
Beim Aufstehen sagt er, leise: "Na ja, hoffentlich dauert dieser Zauber nicht lange." Was er damit genau meint, will er nicht sagen. Er winkt nur wütend ab.