Trotz zweier Raketenangriffe aus dem Libanon hat Israel den zweiten Tag in Folge eine dreistündige Feuerpause in Gaza beschlossen. Doch nun droht vielleicht ein Krieg an einer neuen Front. Bilder zum Artikel.
Jerusalem. Israel hat den zweiten Tag in Folge eine dreistündige Feuerpause im Gazastreifen beschlossen, um die Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen. Damit werde es humanitären Organisationen ermöglicht, ihre Arbeit zu tun, sagte Militärsprecher Peter Lerner am Donnerstag. Israel werde auch selbst Hilfsgüter und Kraftstoff nach Gaza bringen. Die Streitkräfte hatten am Mittwoch erstmals seit Beginn der Offensive am 27. Dezember ihre Angriffe auf Ziele der Hamas für drei Stunden ausgesetzt.
Aus dem Süden Libanons wurden am Donnerstag zwei Mal innerhalb weniger Stunden Raketen abgeschossen. In zwei Ortschaften im Norden Israels sei Fliegeralarm ausgelöst worden, berichten israelische Rundfunksender. Die Feuerpause in Gaza ist jedoch nicht gefährdet.
Vielerorts wird im Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas um eine Lösung gerungen. Doch noch bevor es bei diesen Bemühungen einen wirklichen Erfolg zu verkünden gibt, droht sich der Konflikt auf eine zweite Front auszuweiten: Obwohl als "Einzelaktion" radikaler Palästinenser eingestuft, wecken die Raketenangriffe aus dem Libanon Erinnerungen an den für Israel deströs verlaufenen Libanon-Krieg vor zweieinhalb Jahren.
Dass Israel im Morgengrauen von Raketen aus dem Libanon getroffen wurde, überraschte in der israelischen Regierung niemanden mehr: "Wir wissen, dass extremistische Elemente im Libanon den Kampf gegen die Hamas für ihre Zwecke nutzen wollen", sagte ein ranghoher Regierungsvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte. In Armeekreisen hieß es, palästinensische Gruppierungen steckten dahinter. Der Angriff sei eine Reaktion auf die seit nunmehr 13 Tagen andauernde israelische Militäroffensive im Gazastreifen.
Obwohl direkte Schuldzuweisungen an die schiitische Hisbollah, den Gegner während des Libanon-Kriegs, zunächst ausbleiben, trägt die Miliz nach Auffassung der Israelis einen Teil der Verantwortung. "Auch wenn es palästinensische Gruppen sind, die schießen, können sie das nicht ohne die Zustimmung der Hisbollah machen", sagte ein Armeevertreter dem staatlichen Rundfunk. Gegen die Miliz hatte Israel im Sommer 2006 insgesamt 32 Tage lang einen unerbittlichen Kampf geführt. Den politischen und militärischen Führern Israels bescheinigte ein Untersuchungsausschuss dabei später fatale Fehlentscheidungen und ein "schwerwiegendes Scheitern".
Die Hisbollah selbst, die im Libanon an der Regierung beteiligt ist, wies eine Beteiligung an den Angriffen zurück. Die Miliz wolle sich weiter für die Stabilität des Landes einsetzen und habe versichert, die UN-Resolution 1701 zu respektieren, sagte Informationsminister Tarek Mitri. In der Resolution stimmten die Konfliktparteien des Libanonkriegs im August 2006 einem Ende der Feindseligkeiten zu. Eine dauerhafte Waffenruhe wurde darin jedoch nicht vereinbart. "Wir hoffen aber immer noch, dass der Libanon nicht in den Konflikt im Gazastreifen hineingezogen wird", sagte Mitri. "Wir müssen aber noch wachsamer sein, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt."
Wachsam sind im Libanon auch die Truppen der UN-Mission UNIFIL. Nach dem Abschuss der Katjuscha-Raketen auf den Nordwesten Israels wurden sie in "erhöhte Alarmbereitschaft" versetzt, wie ein französischer Armeevertreter mitteilte. Alle Einheiten wurden demnach an die südliche Grenze des Libanon verlegt. Dort patrouillieren sie nun, "um jegliche Möglichkeit zu einem neuen Raketenbeschuss zu unterbinden". In Alarmbereitschaft sind allerdings auch israelische Soldaten auf der anderen Seite der Grenze. Aus Angst vor Gefechten an einer zweiten Front hatte Israel zehntausende Reservisten eingezogen.
Video: Junge Israelis sammeln Splitter von Hamas-Raketen
Ahmed Jussuf, ein Berater des führenden Hamas-Politikers Ismail Hanija, äußerte sich optimistisch zu den Chancen auf eine Waffenruhe. "Angesichts der derzeitigen diplomatischen Bemühungen bin ich überzeugt, dass wir in der Lage sein sollten, uns binnen 48 Stunden auf eine von beiden Seiten akzeptierte Regelung zu einigen", sagte er. Israel macht eine Waffenruhe unter anderem von einem Ende des Beschusses aus dem Gazastreifen sowie einem Stopp des Waffenschmuggels über die ägyptische Grenze nach Gaza abhängig.
In New York unterbrach der Weltsicherheitsrat seine dreitägigen Beratungen über den Konflikt, ohne eine gemeinsame Linie zu finden.