Weiter Wirbel um den Papst-Beschluss: Der Berliner Erzbischof Kardinal Georg Sterzinsky fordert von Benedikt VXI. die Rücknahme der umstrittenen Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson.

Berlin/Stockholm. SPD-Chef Franz Müntefering schließt sich der Forderung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an, die Bischofs-Entscheidung zu korrigieren und der Vatikan beklagt ein "gezieltes Komplott". Berlins Erzbischof Kardninal Georg Sterzinsky forderte den Papst zu einer Überprüfung seiner Entscheidung auf: "Den Holocaust zu leugnen ist ungeheuerlich und eine große Belastung für die Beziehungen zum Judentum", sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Exkommunikation von Williamson aufzuheben sei ein Vorgang, den er nicht für richtig halte. "Das muss in Ordnung gebracht werden." Ähnlich äußerte sich SPD-Chef Franz Müntefering. Er halte die Wiederaufnahme eines Bischofs, der den Holocaust leugnet, für einen "schweren, historischen Fehler", den die Kirche "so schnell wie möglich korrigieren" müsse, sagte Müntefering der "Berliner Zeitung". Es helfe nicht, die Dinge "klarzustellen, zu erklären oder zu relativieren".

Dagegen hat der Eichstätter Oberhirte Gregor Maria Hanke die Kanzlerin scharf angegriffen. Hanke nannte es bestürzend, "wie derzeit sogar von offizieller staatlicher und politischer Seite die Integrität von Benedikt XVI. in Frage gestellt wird". Es sei "unbegreiflich und empörend, wenn selbst die deutsche Bundeskanzlerin vom Papst klare Worte fordert in einem Zusammenhang, in dem gerade Papst Benedikt es nie an Eindeutigkeit hat fehlen lassen", erklärte Hanke. Auch der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt warnte Merkel davor, "sich weiterhin als Lehrmeisterin des Papstes zu gerieren". Der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, nahm seinen Bruder gegen Kritik in Schutz. "Er bruacht keine Verteidigungs von mir: Aber es ärgert mich, wie unvernünftig und schlecht informiert die Leute sind, die ihn jetzt angreifen", sagte er der "Leipziger Volkszeitung".

Der Vatikan hatte am Vorabgend Merkels Forderung nach einer eindeutigen Klarstellung des Papstes im Zusammenhang mit dessen Rücknahme der Exkommunikation des britischen Bischofs Richard Williamson zurückgewiesen. Die bisherige Verurteilung jeder Holocaust-Leugnung durch den Papst hätte "nicht klarer sein können", sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Merkel hatte zuvor erklärt: "Es geht darum, dass vonseiten des Papstes und des Vatikans sehr eindeutig klargestellt wird, dass es hier keine Leugnung geben kann."

Papst Benedikt XVI. hat auf seiner wöchentlichen Generalaudienz gestern keinen keinen neuen Kommentar zum aktuellen Holocauststreit abgegeben. Doch der Vatikan sieht in der Veröffentlichung eines Interviews mit der Holocaust-Leugnung nach Zeitungsangaben ein "gezieltes Komplott" des schwedischen TV-Senders SVT. Die Stockholmer Zeitung "Svenska Dagbladet" berichtete unter Berufung auf religiöse Kreise in Rom, dass das Interview in einem internen Vatikan-Report als "bewusst gestellte Falle für Seine Heiligkeit Benedictus XVI." eingestuft werde. Demnach habe der TV-Sender das Interview mit Williamson bewusst am 21. Januar drei Tage vor der länger feststehenden Rücknahme der Exkommunizierung Williamsons und drei weiterer Bischöfe ausgestrahlt, um dem Papst so stark wie irgend möglich zu schaden. Weiter hieß es, die Informationen über Williamsons früher in Kanada gemachten, aber nicht dokumentierten Äußerungen mit der Leugnung des Holocaust seien dem schwedischen Sender von der "sehr bekannten französischen Aktivistin und Lesbierin" Fiametta Venner zugespielt worden.

Der für das Williamson-Interview verantwortliche schwedische Journalist Ali Fegan nannte die Komplott-Theorie falsch und "beklemmend". Man habe bei einem in Deutschland geplanten Interview mit einem schwedischen Priester aus der als erzkonservativ und antisemitisch geltenden Piusbruderschaft ein Interview mit Williamson angeboten bekommen und dabei nichts von dessen geplanter Wiederaufnahme in die katholische Kirche gewusst. Williamson hatte in dem Interview am Rande einer Priesterweihe in Bayern für die Serie "Uppdrag granskning" bestritten, dass es Gaskammern zur Tötung von Juden gegeben habe. Er behauptete weiter, dass im Zweiten Weltkrieg höchstens 200 000 bis 300 000 Juden umgekommen seien. Fegan meinte über die unmittelbaren Folgen dieser Äußerungen, Williamson habe erst nach dem Interview begriffen, was er vor der laufenden Kamera gesagt habe und sei "finster geworden". Fegan sagte: "Da saßen wir in einem Schloss auf dem deutschen Land, auf einem Flur und umgeben von mehr als hundert Priestern. Die Stimmung wurde sehr unangenehm."