Nach den Protesten mit mehr als 20 Toten hat die israelische Regierung Fehler eingeräumt. Montag hielt die Marine ein Schiff Richtung Gaza auf.
Ramallah/Gaza. Israels Armeeführung hat nach den palästinensischen Massenprotesten an den Landesgrenzen mit mehr als 20 Toten und Dutzenden Verletzten Fehler eingeräumt. Der israelische Rundfunk meldete am Montag, Generalstabschef Benny Ganz habe die Vorfälle an der Grenze zwischen Syrien und den von Israel besetzten Golanhöhen als „nicht gut“ eingestuft. Er habe die zuständigen Truppen angewiesen, eine Untersuchung des Vorgehens am Nakba-Tag einzuleiten. Die Palästinenser erinnern am Tag der Nakba (Katastrophe) an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender nach der israelischen Staatsgründung von 1948.
Erstmals seit Jahrzehnten war es am Sonntag Hunderten von Demonstranten gelungen, von Syrien her die israelische Grenze auf den besetzten Golanhöhen zu durchbrechen. Die staatliche syrische Agentur Sana meldete am Montag, die israelischen Soldaten hätten an der Grenze zu Syrien bei Ain al-Tina und Madschal Schams zehn Zivilisten erschossen. Insgesamt 210 Menschen seien verletzt worden.
An der Grenze zum Libanon wurden nach Informationen der Nachrichtenwebsite „Libanon Now“ elf Palästinenser getötet. Die libanesische Armee sprach von mehr als 100 Verletzten. Bei einem Marsch tausender Palästinenser im Gazastreifen auf den israelischen Grenzübergang Eres wurden ein Palästinenser getötet und mehr als 80 weitere verletzt. Auch bei Krawallen im Westjordanland und Ost-Jerusalem gab es Verletzte.
Seit Sonntagabend herrscht allerdings wieder weitgehend Ruhe. Eine israelische Armeesprecherin sagte am Montag in Tel Aviv, an den Grenzen seien in der Nacht keine weiteren Vorfälle verzeichnet worden. Die israelische Polizei suchte allerdings am Morgen in der drusischen Ortschaft Madsch al-Schams auf den Golanhöhen weiter nach möglichen Eindringlingen. Es war am Sonntag Dutzenden von Palästinensern gelungen, in die Ortschaft vorzudringen.
Israels Armee hindert Schiff an Fahrt nach Gaza
Am Montag hat die israelische Armee ein Schiff unter moldauischer Flagge auf dem Weg in den blockierten Gazastreifen aufgehalten. Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, das Boot sei in den frühen Morgenstunden von Ägypten aus unterwegs gewesen. Eine israelische Marine-Patrouille habe die Besatzung mehrfach vergeblich dazu aufgefordert, umzukehren. Erst nach Warnschüssen in die Luft habe das Schiff kehrt gemacht und sei in Richtung Ägypten zurückgefahren.
Vor einem Jahr waren neun türkische Aktivisten getötet worden, als Israels Marine eine Gaza-Solidaritätsflotte enterte. Zum ersten Jahrestag wird mit der Ankunft einer neuen Solidaritätsflotte gerechnet. Internationale Aktivisten wollen die Blockade durchbrechen, die Israel nach der Machtübernahme der radikalislamischen Hamas in dem palästinensischen Küstenstreifen im Juni 2007 weiter verschärft hatte
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Für die einen ist es der Tag der Katastrophe, für die anderen der Tag der Unabhängigkeit: Im Nahen Osten haben sich an diesem Sonntag Palästinenser und Israelis blutige Auseinandersetzungen geliefert. Erstmals seit dem Nahostkrieg 1973 durchbrachen Tausende Zivilisten von Syrien aus die streng bewachte Grenze zu den von Israel besetzten Golanhöhen. Dutzenden gelang es sogar, bis in die nahe gelegene drusische Ortschaft Madschd al-Schams vorzudringen. Bei dem Sturm auf die Grenze wurden nach unterschiedlichen Angaben bis zu vier Menschen getötet. Mehrere Dutzend Palästinenser wurden nach Angaben der israelischen Armee bei den Auseinandersetzungen verletzt und in israelischen Krankenhäusern behandelt.
Auch im südlichen Libanon überrannte eine Menge von Palästinensern Absperrungen der libanesischen Armee und warf Steine gegen israelische Soldaten. Die Israelis feuerten Tränengasgranaten und scharfe Munition auf die Demonstranten ab. Drei von ihnen wurden getötet und fünf weitere verletzt, berichteten Augenzeugen.
Im Gazastreifen durchbrachen palästinensische Demonstranten Absperrungen der dort herrschenden Hamas und drangen bis zu dem israelischen Eres-Kontrollpunkt vor. Bei Konfrontationen mit israelischen Soldaten wurden nach Angaben von Sanitätern knapp 70 Menschen verletzt. Die meisten von ihnen hätten Schusswunden erlitten, hieß es. Etwa 15 seien von Granatsplittern getroffen worden.
Auch an einigen Militärsperren im Westjordanland und in Ost-Jerusalem kam es zu Krawallen. Am Kalandia-Grenzübergang bei Ramallah warfen palästinensische Demonstranten Steine auf Soldaten, diese setzten Tränengas gegen die Menge ein.
Die Welle der Gewalt begann am Morgen, als ein 22 Jahre alter israelischer Araber in Tel Aviv mit einem Lkw in Autos und Fußgänger raste. Ein Israeli wurde getötet, 17 weitere verletzt. Die Polizei ermittelte, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelte. Zeugen sprachen von einer Amok-Fahrt.
Die zentrale Gedenkveranstaltung der Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas zum Nakba-Tag begann am Mittag in Ramallah. Tausende Menschen marschierten von dem Präsidentenamt zum zentralen Manara-Platz. Die Sirenen heulten im Gedenken an die palästinensischen Flüchtlinge, die vor 63 Jahren ihre Heimat verloren. Teilnehmer der Kundgebung trugen palästinensische und schwarze Flaggen. „Es gibt keine Alternative zur Rückkehr in die Heimat“, hieß es in Schriftzügen. Einige Demonstranten trugen einen großen hölzernen Schlüssel als Symbol für den Wunsch nach Rückkehr in die verlorenen Häuser.
Ismail Hanija, Führer der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen, drückte seine Hoffnung auf ein „Ende des zionistischen Projekts in Palästina“ aus. Hanija bekräftigte während einer Ansprache, seine Organisation werde den Staat Israel weiterhin nicht anerkennen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte während der wöchentlichen Kabinettssitzung: „Ich bedaure, dass es unter den israelischen Arabern und unseren Nachbarn Radikale gibt, die den israelischen Unabhängigkeitstag in einen Tag der Kriegshetze und des Zorns verwandeln.“
Die Palästinenser gedenken am Tag der Nakba (Katastrophe) der Flucht und Vertreibung Hunderttausender Araber aus dem historischen Palästina nach der israelischen Staatsgründung von 1948. Über soziale Netzwerke hatten Palästinenser zu einem neuen Aufstand gegen Israel aufgerufen.
Israels Armee hatte das Westjordanland aus Furcht vor Anschlägen radikaler Palästinenser in der Nacht zum Sonntag abgeriegelt. Bei Krawallen nach dem Freitagsgebet in Jerusalem hatte ein 16-jähriger Palästinenser eine Schussverletzung erlitten, an der er am Sonnabend im Krankenhaus starb. Am Sonntag waren landesweit etwa 10.000 Polizisten im Sondereinsatz.