Moskau. Trauertag in der russischen Hauptstadt. Die Menschen gedachten der Opfer der beiden Anschläge auf die Moskauer Metro, deren Zahl inzwischen auf 39 gestiegen ist. In den beiden U-Bahnhöfen, wo sich die Tragödien ereigneten und wo die Spuren der Explosionen noch sichtbar sind, haben Trauernde Blumen niedergelegt. Die Metro hatte ihren Betrieb bereits am Montagnachmittag wieder aufgenommen, die Wagen blieben aber gestern ungewöhnlich leer.
Die Besorgnis in Moskau ist groß. Sicherheitsdienste wurden gleich nach den Attentaten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, Miliz-Patrouillen auf den Straßen der Hauptstadt und vor allem in der Untergrundbahn verstärkt. Aus Angst vor weiteren Anschlägen stehen auch russische Wasserkraftwerke unter besonderer Beobachtung. Es gilt inzwischen als sicher, dass die Spur der Hintermänner der U-Bahn-Anschläge in den Kaukasus führt. Bekannt ist, dass eine der beiden Selbstmordattentäterinnen eine Kaukasierin war.
Bei aller Trauer, bei aller unterschwellig wirkender Furcht vor neuen Anschlägen wurden am Tag danach die ersten kritischen Stimmen laut. Der Abgeordnete der Putin-Partei Geeintes Russland, Alexander Chinschtein, hat den Sicherheitsorganen in einem Zeitungsartikel völliges Versagen vorgeworfen. "Die Leute in Uniform sind so sehr in Korruption und Intrigen verstrickt, dass sie einfach keine Zeit haben, sich mit ihren Hauptaufgaben zu beschäftigen", schrieb der wütende Abgeordnete.
Die Zeitung "Moskowski Komsomolez" wandte sich direkt an das Tandem Medwedew/Putin und gab ihm die Schuld an den tragischen Ereignissen. Sie würden die Präsidenten im Nordkaukasus ernennen, sich von denen berichten lassen, dass alles in bester Ordnung sei - was aber nicht stimme. Und wenn im Nordkaukasus "geistlos" Gewalt angewendet werde, würden sie beide von der Gegenreaktion garantiert nicht getroffen, so das Blatt.
Präsident Medwedew hatte allerdings im Januar versucht, diesen Kreislauf zu durchbrechen, und den ehemaligen Gouverneur von Krasnojarsk, Alexander Chloponin, zum Präsidentenvertreter für den Nordkaukasus ernannt. Es war der erste Versuch, die explosive Situation im Süden Russlands einem Zivilisten anzuvertrauen.
Die liberale Politologin Lilija Schewzowa hält es für möglich, dass es in den Strukturen der russischen Staatsmacht Kräfte gibt, die die Lage für ihre Interessen instrumentalisieren möchten. Sie planten nun eine Verschärfung des Regimes, was womöglich derzeit kaum Protest hervorriefe. Sie spielte damit auf die blutig beendete Geiselnahme in Beslan an, der der damalige Präsident Putin einen Abbau der demokratischen Rechte im Lande folgen ließ.