Die britische Königin eröffnet die neue Parlamentsperiode und verkündet feierlich das Regierungsprogramm - zum 59. Mal.
London. Umgeben von dem farbigen Pomp, der eine Eröffnung der jeweils neuen Parlamentsperiode traditionell begleitet, verlas Königin Elizabeth II. gestern im Oberhaus das Programm - offiziell "The Queen's Speech" genannt - ihrer Regierung, einer Koalition aus Konservativen und Liberaldemokraten. Unter dem Leitbild der Prinzipien von "Freiheit, Fairness und Verantwortlichkeit" stellte die Queen in ihrer Rede 22 Gesetzesvorlagen vor, welche die Regierung in einer diesmal 18 Monate langen legislativen Periode einbringen will.
Solche auf 18 - statt zwölf Monate - verlängerten Sitzungsperioden ergeben sich immer im Jahr einer Unterhauswahl. Es wird demnach bis Herbst 2011 keine "Queen's Speech" mehr geben. Die gestrige Parlamentseröffnung war die 59. in der Ära Elizabeths II., deren Dienstzeit inzwischen bis auf fünf Jahre an den Rekord von Königin Victoria - 63 Jahre - heranreicht. Die Monarchin, begleitet von ihrem fast 89 Jahre alten Ehemann Prinz Philip, machte auch gestern wieder, mit ihren 84 Jahren, einen robusten Eindruck, sodass sich das Volk auf ihr diamantenes Thronjubiläum im Februar 2012 schon jetzt fest einstellen kann.
Das Koalitionsprogramm mischt konservative mit liberalen Wunschvorstellungen zu einer Einheit, in der progressive Reformelemente überwiegen. Das gilt sowohl für die Erweiterung des Bereichs der bürgerlichen Freiheiten - so soll die von Labour geplante Einführung eines Personalausweises aufgehoben werden -, die Überarbeitung der Strukturen in beiden Häusern des Parlaments oder auch für die Reform der Schul-, Polizei- und Sozialpolitik.
Der neue Tory-Premierminister David Cameron gibt sich damit als Modernisierer auch der eigenen Partei zu erkennen, die er mit den Liberaldemokraten an seiner Seite rascher zu politischen Öffnungen, wie sie ihm vorschweben, glaubt heranführen zu können.
Vor aller legislativen Programmatik jedoch hat die Regierung die Reduzierung des Haushaltsdefizits und die Zurückgewinnung von Wachstum, in den Worten der Queen, "als erste Priorität" festgeschrieben. Um die im laufenden Jahr auf 163 Milliarden Pfund (ca. 175 Milliarden Euro) angelaufene Deckungslücke zu reduzieren, hatte Finanzminister George Osborne bereits zu Anfang der Woche (der Montag war auf der Insel kein Feiertag) erste Schritte verkündet.
So sollen insgesamt 6,2 Milliarden Pfund Kosten noch aus dem laufenden Budget herausgeschnitten werden. Gelingen wird dies durch einen Einstellungsstopp in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes, durch Lohnsteigerungsverzicht oder auch spürbare Kürzungen in bestimmten Kabinettsressorts. Auch die Schließung mehrerer halb amtlicher Behörden gehört dazu, so wie das Zurückfahren von lukrativen Aufträgen der Regierung für Beratungsfirmen. Auch die Benutzung der ersten Klasse bei Bahn- und Flugreisen für Regierungsvertreter soll künftig stark eingeschränkt werden. Diese Einsparungen sind freilich nur ein milder Vorgeschmack auf das, was der Nachtragshaushalt Ende Juni verkünden sowie die "spending review", die Überprüfung der finanziellen Vorgaben, im Herbst enthüllen wird. Dann wird das wahre Ausmaß der Folgen der Sparpolitik in Großbritannien, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, offenkundig werden und böse Reaktionen in der Öffentlichkeit - und bei den Gewerkschaften - zu gewärtigen sein.
Bei diesen Sparmaßnahmen noch für das laufende Haushaltsjahr hat der liberale Koalitionspartner am stärksten einlenken müssen. Im Wahlkampf hatten die LibDems noch zusammen mit der Labour-Partei argumentiert, Einsparungen gleich nach der Wahl würden den erst sehr schwachen britischen Aufschwung abwürgen. Heute dagegen, nach den Erfahrungen mit der Euro-Krise, macht sich die Partei zusammen mit den Tories größte Sorgen, dass Großbritannien sein internationales Kredit-Rating verlieren könnte, wenn es nicht energisch an die Reduktion seines Defizits heranginge. Die Folgen eines Aufschubs solcher Maßnahmen würden mithin das Land womöglich noch teurer zu stehen kommen, als wenn man sofort die bittere Medizin verabreichen würde.
David Cameron und sein Stellvertreter Nick Clegg gaben auch gestern wieder das Bild einer auf Dauer abgestellten Partnerschaft. In der "libservativen" (liberal-konservativen) Regierung, wie sie schon jetzt genannt wird, fühlen sich beide offenbar äußerst wohl, treffen sie sich doch auf dem Nenner gemeinsamer Reformvorhaben.
Zwar wurde das heikle Thema, ob auch das Oberhaus aus einer allgemeinen Wahl hervorgehen soll, erst einmal einer Kommission überantwortet. Doch dafür wird das Referendum über die Einführung eines faireren Wahlmodus für das Unterhaus schon bald wahr werden. Die Tories von diesem Schritt zu überzeugen wird David Camerons schwierigste Aufgabe zu Amtsbeginn werden.