Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Griechenland-Krise: „Europa steht am Scheideweg.“ Die Rede auf abendblatt.de
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in einer Regierungserklärung im Bundestag die Konsequenzen der Griechenland-Krise für Europa und Deutschland dargelegt. Sie verlangte Änderungen am europäischen Vertragswerk, falls dies zur Stabilisierung des Euro notwendig sein sollte. Wir dokumentieren die Rede in Auszügen:
„. . .Noch klarer wird die uns auferlegte Verantwortung dadurch, wenn wir uns vor Augen führen, Europa schaut heute auf Deutschland. Ohne uns, gegen uns, kann und wird es keine Entscheidung geben, die ökonomisch tragfähig ist und den rechtlichen Anforderungen sowohl mit Blick auf europäisches Recht als auch mit Blick auf nationales Recht in vollem Umfang genüge tut.
. . . Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir heute einen Satz zu wiederholen, den ich in meiner Regierungserklärung am 25. März dieses Jahres, also in meiner Regierungserklärung vor dem letzten EU-Rat der Staats- und Regierungschefs gesagt habe. . . . „ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft, ein guter Europäer ist der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Euro-Zone keinen Schaden hat.
. . . Warnungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Skepsis und Zweifel, ob es richtig war, Griechenland den Zugang zur Euro-Zone zu gewähren, die hat es im Jahr der Entscheidung, also im Jahr 2000, zuhauf gegeben.
. . . Ich erwähne dies nicht, um in diese Diskussion einzutreten, die sich bei der Entscheidung etwa an die Adresse der damaligen rot-grünen Regierung richten könnte.
. . . Ich erwähne diese Warnungen, diese Skepsis und die Zweifel aus einem anderen Grund. Ich erwähne sie, weil das hilft, dass wir uns über den Ernst der Lage keinerlei Illusion mehr machen, dass wir uns dem Ernst der Lage stellen.
. . . Europa steht am Scheideweg. . . Europa muss entscheiden, ob es den Weg der Vergangenheit fortsetzen will. Dieser Weg bestand nur zu oft darin, dass Probleme selten direkt beim Namen genannt wurden, dass sie in der Folge nicht konsequent angegangen wurden, dass nur zu oft gehofft wurde, es werde sich schon alles regeln und irgendwie gutgehen. Gut gemeint war nicht immer gut gemacht.
Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung in den Verhandlungen mit Europa auf allen politischen Ebenen von Beginn an wieder und wieder deutlich gemacht, dass wir Hilfen an Griechenland nur in strikter Übereinstimmung mit dem europäischen Recht und dem deutschen Verfassungsrecht, das heißt, nur unter folgenden vier Voraussetzungen leisten werden und leisten können.
1. Voraussetzung: Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt in Griechenland. Wir haben darauf bestanden, dass Griechenland sich zu einer umfassenden Eigenanstrengung verpflichtet. . .
2. Voraussetzung: Der Internationale Währungsfonds muss eingebunden werden. Wir haben darauf bestanden, auch wenn wir mit dieser Haltung zu Beginn in der Europäischen Union in der Minderheit waren. . .
3. Voraussetzung: Griechenland ist nicht mehr in der Lage, sich selbst auf den internationalen Kapitalmärkten zu refinanzieren.
Und deshalb gilt als 4. Voraussetzung: Die zu beschließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos, um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern. Wir schützen also unsere Währung, wenn wir handeln. . .
Banken und Gläubiger dürfen sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Und deshalb begrüße ich, dass es hierzu ganz offensichtlich eine Bereitschaft bei Banken und Gläubigern gibt. . .
Ich füge aber hinzu, wenn sich die Banken von einem solchen freiwilligen Beitrag erhoffen sollten, dass wir sie gleichsam als Gegenleistung bei einer Bankenabgabe oder anderen Maßnahmen entlasten, dann haben sie sich gründlich getäuscht.
Die Stabilität des Euro muss langfristig gesichert werden.
. . . Es wird ein Wille zu stärkerer wirtschafts- und finanzpolitischer Zusammenarbeit notwendig sein. Ich kann es auch niemandem ersparen, dass dabei insbesondere die Aufmerksamkeit auf solche Mitgliedstaaten gelenkt wird, die über keine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit verfügen.
Es geht . . . einmal mehr und die Abwendung von Schaden für den gesamten Euro-Raum. Diese Abwehr von Schaden . . . ist nur durch einen Weg der Offenheit, der Klarheit und auch der Schonungslosigkeit zu erreichen.“